Ziel der SGP ist es, die Bibel als oberste politische Instanz zu etablieren
Eine radikale calvinistische Mini-Partei, die Frauen- und Homorechte ablehnt und die Todesstrafe wieder einführen möchte, toleriert in den Niederlanden die Mitte-Rechts-Regierung.
Die Regierungskoalition zwischen der wirtschaftsliberalen VVD und der christdemokratischen CDA hat im Senat, der niederländischen Länderkammer, nach Wahlen am Anfang der Woche die Mehrheit verloren. Selbst mit den Senatoren von Geert Wilders' islamfeindlicher "Partei für die Freiheit" (PVV) kommt sie damit nur auf 74 von 150 Sitzen. Ministerpräsident Mark Rutte (VVD) hat daher bekannt gegeben, dass sich seine Koalition künftig auf den einen Senator der "Reformierten Politischen Partei" (SGP) stützen werde.
Die SGP hat bei den Parlamentswahlen in den letzten 20 Jahren zwischen 1,6 und 2,0 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können - und profitierte davon, dass es in den Niederlanden keine Fünfprozenthürde gibt. In ihrem skurrilen Programm plädiert die Minipartei für die Errichtung eines Gottesstaates auf Grundlage der Bibel. Außerdem sei es Aufgabe des Staates, "alle Abgötterei und falsche Religion abzuwehren und auszurotten". "Homosexuelle Praxis" ist nach Ansicht der SGP unbiblisch und "darf nicht sanktioniert werden." Zunächst setzt sich die Partei dafür ein, die Öffnung der Ehe rückgängig zu machen. In allen anderen Politikbereichen beruft sich die Partei auf die Bibel - daher durften beispielsweise bis 2007 auch keine Frauen Parteimitglieder sein. Das Verbot wurde nach einer Klage wegen Diskriminierung aufgehoben.
SGP hat bereits jetzt Einfluss
Zwar wird die SGP unter den weltoffenen Niederländern kaum über den Status einer Splitterpartei hinauskommen, dennoch hat die Annäherung der Rutte-Regierung an die Fundamentalisten Auswirkungen auf die Politik: So wollen die Liberalen aus Rücksicht auf den neuen Partner nicht mehr das Blasphemieverbot abschaffen und lehnen nun eine Ausweitung des verkaufsoffenen Sonntags ab.
In den Niederlanden befürchten nun Homo-Aktivisten, dass die Positionen der SGP von der Regierung gesellschaftsfähig gemacht werden könnten. Zudem prangern Politikwissenschaftler die Doppelmoral der Regierung an, weil sie sich auch von der islamfeindlichen PVV tolerieren lässt: "Für Rutte sind christliche Fundamentalisten weniger schlimm als Muslimfundamentalisten", erklärte etwa der Amsterdamer Politologe Meindert Fennema gegenüber der "Welt". PVV-Parteichef Geert Wilders steht derzeit wegen Volksverhetzung vor Gericht, unter anderem weil er den Islam mit dem Nationalsozialismus verglichen hat. (dk)
Die Konservativen und "Freien Demokraten" der Niederlande sind offenbar keinen Deut besser als Union und FDP hierzulande.