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- 31. Mai 2011 3 Min.

Mit leichten Korrekturen kann Boris Palmer seine Wahlbroschüre auch im nächsten OB-Wahlkampf verwenden (Bild: Montage: queer.de)
Schlusswort zum Fall Boris Palmer: Es spielt keine Rolle, ob man Schwulen und Lesben mit Hinweis auf die Bibel Rechte vorenthalten will oder mit dem Blick auf Wählerstimmen. Auch Homophobie aus Kalkül darf nicht toleriert werden.
Von Micha Schulze
Was haben wir doch noch mal Glück gehabt. Weil die Mehrheit der Deutschen ein Adoptionsrecht für Schwule und Lesben befürwortet, will sich Boris Palmer weiterhin dafür einsetzen. "Kämpfen" sogar, wie er jetzt behauptet. Sähen die Meinungsumfragen freilich anders aus – würde der Tübinger Oberbürgermeister diese grüne Kernforderung von heute auf morgen zur Disposition stellen. Nichts anderes steht in seinem Thesenpapier für den grünen Parteirat, das queer.de als erstes Medium auszugsweise dokumentiert hat.
Und man weiß nicht, was einem nun übler aufstoßen soll: Palmers Versuch, das Eintreten für schwul-lesbische Bürgerrechte von der politischen Großwetterlage abhängig zu machen, oder sein peinliches Zurückrudern, nachdem der grüne Skandal öffentlich wurde. Wie man es von etablierten Politikern zur Genüge kennt, wenn sie bei etwas ertappt werden, hat Boris Palmer gelogen, verdreht, verharmlost, beschwichtigt und mit der angekündigten Trauung eines Homo-Paares auch noch eine alberne Charme-Offensive gestartet. Regenbogenfähnchen im Wind.
Rein gar nichts wurde "aus dem Zusammenhang gerissen"
Ein Blick in Palmers Thesenpapier beweist: Bei der Berichterstattung wurde rein gar nichts "aus dem Zusammenhang gerissen", da ist kein einziger Satz auch nur ansatzweise "irreführend". Selbst bei wohlwollendster Betrachtung spricht kein "Kämpfer" für Homorechte aus Palmers Thesen. Natürlich ist der grüne OB kein Hetzer vom Schlage eines Norbert Geis – aber eben auch nicht der allerbeste Schwulenpapi, als der er sich im Gespräch mit unserer Redaktion zu verkaufen versuchte. Homosexuelle Wähler scheinen Palmer natürlich willkommen, ihre Rechte ihm jedoch bestenfalls egal zu sein. Nachdem sein konservativer Testballon zerplatzte, blieb dem Mitglied des grünen Parteirats gar keine andere Wahl, als ganz schnell ans andere Ufer zurückzurudern.
Darf man einen solchen Politiker homophob nennen? Ja, denn auch angedachte Homophobie aus Kalkül ist Homophobie. Es macht keinen Unterschied, aus welchen Grund jemand Schwulen und Lesben Rechte vorenthalten will – egal ob mit Verweis auf die Bibel, den Koran, das vermeintliche Kindeswohl, den "Fortbestand der Volksgemeinschaft" – oder mit dem Blick auf neue Wählerstimmen. Allein der Gedanke an einen solchen Kuhhandel ist verachtenswert. Wer Schwulen und Lesben das Adoptionsrecht verweigern möchte, macht Politik gegen Schwule und Lesben und auf Kosten von Schwulen und Lesben.
An der Öffnung der Ehe müssen sich alle Politiker messen lassen
In Deutschland stehen aus homopolitischer Sicht zwei große Projekte an: die Öffnung der Ehe mit allem Drum und Dran sowie die Aufnahme eines Diskriminierungsverbots in das Grundgesetz. An diesen beiden Forderungen müssen sich alle Politiker messen lassen – unabhängig von ihrem Parteibuch (das geht u.a. Richtung Boris Palmer) und unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung (das geht u.a. Richtung Guido Westerwelle und Stefan Kaufmann).
Mit seinem Thesenpapier hat Boris Palmer den Grünen und seinem aufrechten Parteifreund Volker Beck einen Bärendienst erwiesen.















Bravo!
Deinem "Schlusswort" schließe ich mich zu 100 % an.
Mir gefiel der Text so gut, dass ich mir erlaubt habe, ihn (selbstverständlich mit Quellen-Angabe) als "abschließenden Kommentar" in mein eigenes Blog beim "Freitag" zu integrieren.
www.freitag.de/community/blogs/sexpower/gruene-wollen-volksp
artei-werden-und-opfern-dafuer-homorechte#comment-272286
Beste Grüße
Knueppel