Safer Sex ist auch bei Marsreisen sinnvoll (Bild: lovelife.ch)
Das Robert Koch-Institut hat die Gesamtzahlen für das Jahr 2010 veröffentlicht. Weitere 2.918 Menschen in Deutschland wissen nun, das sie HIV-infiziert sind.
Von Carsten Weidemann
2.918 gemeldete HIV-Neudiagnosen, das ist die Abschluss-Bilanz für 2010, die das Robert Koch-Institut (RKI) jetzt veröffentlicht hat. Aus Sicht der Betroffenen sind das zwar genau 2,918 Fälle zu viel, aus Sicht der Statistiker jedoch lassen daraus auch positive Schlüsse ziehen. Zum einen: Gegenüber 2009 mit 2.885 Fällen hat es keine nennenswerten Veränderungen gegeben. Und seit 2007 hat sich der in den Jahren davor beobachtete Anstieg der Neudiagnosen deutlich verlangsamt. Nach wie vor am häufigsten betroffen sind zwei Drittel Männer, die mit Männern Sex haben (MSM).
Das RKI nutzt zur Auswertung die jeweils von den Ärzten bei einem Test diagnostizierten und anschließend gemeldeten Fälle, und nicht die statistisch wesentlich schwieriger zu erfassenden Neuinfektionen in einem festen Zeitraum. Und damit man nicht die berühmten Äpfel mit den Birnen verwechselt, werden die relativen Zahlen in ein Verhältnis gesetzt, zum Beispiel bezogen auf die Gesamtzahl der Bevölkerung, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Alter. Durch diese so genannten Inzidenzen lassen sich für 2010 im Vergleich ein paar wichtige Erkenntnisse erzielen.
Messbarer Anstieg der HIV-Neudiagnosen bei 20 - 24-jährigen Schwulen
Andere Geschlechtskrankheiten begünstigen die Übertragung von HIV
Das RKI stellt fest: "Die Anzahl und der Anteil der MSM an den HIV-Erstdiagnosen stiegen seit 2001 kontinuierlich von ca. 46 % der Meldungen im Jahr 2001 auf 68 % der Meldungen im Jahr 2010 an. Ebenso veränderte sich die Altersstruktur der neu mit HIV diagnostizierten Personen. Bis zum Jahr 2008 stieg die Inzidenz der neudiagnostizierten HIV-Infektionen bei MSM bezogen auf die männliche Bevölkerung der jeweiligen Altersgruppen von 15 bis 59 Jahre weitgehend parallel an. Bei den über 30-jährigen Männern bleibt die Inzidenz der neudiagnostizierten HIV-Infektionen seit 2008 stabil. Im Gegensatz dazu wurde bei den unter 30-Jährigen ein weiterer Anstieg der Inzidenz der neudiagnostizierten HIV-Infektionen verzeichnet, welcher besonders ausgeprägt in der Gruppe der 20- bis 24-Jährigen war. Die Zahl der Neudiagnosen pro 100.000 Männern bei MSM in der Altersgruppe der 20- bis 24-jährigen MSM erreichte damit den höchsten Wert seit 1993 und näherte sich immer mehr den Werten an, die bisher in den am stärksten betroffenen Altersgruppen der 25- bis 39-Jährigen beobachtet werden."
Woher kommt der eindeutig messbare beschleunigte Anstieg bei den Jungschwulen? Die RKI-Experten sehen mehrere Faktoren: Zum einen lassen sich inzwischen mehr 20- bis 24-Jährige testen. HIV-Infektionen werden dadurch früher entdeckt. In dieser Altersgruppe gibt es prozentual weniger Personen unter Therapie, ein größeres Infektionsrisiko besteht. Dies wird außerdem noch durch die größere Fallzahl anderer sexuell übertragbarer Krankheiten verstärkt. Eine bestehende Syphilis beispielsweise kann die Übertragung von HIV bei ungeschütztem Analverkehr begünstigen. Die so oft beschworene und vermeintliche neue Unvorsichtigkeit junger Schwuler dagegen sehen die Experten durch die Zahlen nicht bestätigt. Dazu haben sie die bisherige Auswertung der großen europaweiten Onlinebefragung unter MSM aus dem vergangenen Jahr herangezogen. Dort wurde unter anderem das Risikoverhalten der Männer beim Sex gecheckt.
Das sollte zu denken geben. Egal wie versucht wird den Anstieg zu rechtfertigen, die Präventionskampagnen sollten den Fokus noch mehr auf Jugendliche und junge erwachsene schwule und heterosexuelle Leute legen. Auffällig ist das in allgemeinen Kinos und im Fernsehen die Kondom Spots fast nur heterosexuelle Übertragungswege zeigen, bei einer Rate von 2/3 HIV Infizierten durch MSM sollten auch in den allgemeinen Medien alle Möglichkeiten der Ansteckung eine Rolle spielen.
Es gibt unter den jungen Schwulen welche die noch ungeoutet sind und/ oder bisexuelle Jungs die nicht in der Szene unterwegs sind und sich über Gayromeo und co. zum Sex treffen, aber nach außen hin ein (pseudo)heterosexuelles Leben führen. Diese werden von szeneinternen Präventionsmaßnahmen nicht erreicht, einfach weil sie nicht in schwulen Clubs, Kneipen, der Szene usw. unterwegs sind.