Die "bürgerlichen" Gegendemonstranten zeigten Schwulen und Lesben den Mittelfinger, Extremisten warfen mit Steinen
Europaabgeordnete haben nach Gewaltausbrüchen beim CSD in Split Zweifel an der EU-Fähigkeit Kroatiens geäußert - die Regierung versichert jedoch, alles zum Schutz von Schwulen und Lesben zu tun.
Beim ersten CSD in der kroatischen Hafenstadt Split standen den 300 Teilnehmern mehrere tausend Gegendemonstranten entgegen, die Sprüche wie "Tötet die Schwulen" skandierten. Sie bewarfen den CSD-Zug mit Flaschen, Steinen und anderen Gegenständen und verletzten dabei mindestens fünf Personen. Die Polizei nahm mehr als 100 Hooligans vorläufig fest, darunter viele Minderjährige (queer.de berichtete). Europäische Politiker zeigten sich entsetzt über die Ausschreitungen: "Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommen kann", sagte die schwangere Europaabgeordnete Marije Cornelissen aus den Niederlanden, die am CSD teilgenommen hat. "Ich hoffe, dass die Behörden merken, dass sie bis 2013 - dem angestrebten Datum zum EU-Beitritt - endlich mit schwul-lesbischen Organisationen zusammenarbeiten müssen, um Homophobie in Kroatien wirksam zu bekämpfen."
Die EU-Kommission hatte letzte Woche den Beitritt Kroatiens im Juli 2013 empfohlen. Diplomaten und Politiker fordern nun, den Beitritt an Verbesserungen in der Menschenrechtssituation zu knüpfen. So erklärte die niederländische Botschafterin in Kroatien, Stella Ronner-Grubacic, die ebenfalls am CSD teilgenommen hatte, dass die EU die Fortschritte nach dieser "groben Menschenrechtsverletzung" überwachen solle.
Für die Co-Präsidentin der schwul-lesbischen Intergruppe im EU-Parlament, die österreichische Grünenpolitikerin Ulrike Lunacek, ist das Land noch nicht reif für den Beitritt: "Die Durchsetzung europäischer Werte - und dazu gehören Versammlungsfreiheit wie die Nicht-Diskriminierung aller Minderheiten - ist in der kroatischen Gesellschaft noch nicht so weit verbreitet ist wie es für ein Kandidatenland, das kurz vor dem Beitritt steht, nötig wäre." Kroatien sei daher in der Pflicht: "Nur wenn die kroatische Regierung selbst Verantwortung dafür übernimmt, die noch fehlende Umsetzung etwa im Justiz- und Menschenrechtsbereich gemeinsam mit Parlament und Zivilgesellschaft sowie der Europäischen Kommission voranzutreiben, kann der Beitrittsprozess gelingen," so Lunacek.
Gewalt "ist nicht das wahre Gesicht" Kroatiens
CSD-Teilnehmer in Split
Der kroatische Präsident Ivo Josipovic hatte die Gewalttäter bereits nach den Ausschreitungen als "nicht-europäische Teile unserer Gesellschaft" kritisiert: "Es ist traurig und beschämend, dass irgendeine Gruppe von Menschen Gewalt und solch groben Angriffen ausgesetzt ist", erklärte Josipovic nach Angaben der Nachrichtenagentur HINA. Die Gewalt sei nicht "das wahre Gesicht" Kroatiens, beteuerte der Präsident. Auch Regierungschefin Jadranka Kosor erklärte, die Gewalt dürfe nicht toleriert werden.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und der kroatische Journalistenverband haben der Polizei vorgeworfen, die CSD-Teilnehmer nicht ausreichend geschützt zu haben. Daher kündigte die kroatische Regierung eine Untersuchung der Übergriffe an. Ein Sprecher des für die Polizeikräfte verantwortlichen Innenministers Tomislav Karamarko lehnte eine von den CSD-Veranstaltern erhobene Rücktrittsforderung jedoch als "politisch motiviert" ab. Die Polizei habe seiner Ansicht nach alles getan, um die Teilnehmer zu schützen. Immerhin seien für den CSD 688 Polizisten im Einsatz gewesen.
Die kroatische Regierung kann nun am kommenden Samstag beweisen, wie wichtig ihr der Schutz von Schwulen und Lesben ist: Dann findet der CSD in der Hauptstadt Zagreb statt. (dk)