
Der Journalist Henryk M. Broder ist dafür bekannt, dass er seine berühmt-berüchtigten Texte in die Tasten haut, ohne vorher groß nachzudenken. Das könnte uns weitestgehend egal sein, wenn sich der 64 Jahre alte bekennende Hetero in letzter Zeit nicht verstärkt an schwul-lesbischen Themen abarbeiten würde.
Erst vor wenigen Wochen forderte Broder im Berliner radioeins allen Ernstes einen "Hetero Pride", weil sich die gemischtgeschlechtlich orientierten Mitbürger immer mehr ausgegrenzt und diskriminiert fühlten. Womit er wohl vor allem sich selbst meint. Nun legte Broder, offensichtlich genervt von Gay Prides, schwulen Politikern und lesbischen Fußballerinnen, in der Tageszeitung Die Welt nach und erklärte die schwul-lesbische Emanzipation kurzerhand für vollendet - zumindest in Deutschland.
Was also müsste noch passieren, damit der LSVD erklärt: Mission accomplished! Gay-Games? Gay-Hotels? Gay-Kreuzfahrten? Gay-Banking? Gay-Kreditkarten? Gay-Parenting? Gibt es alles schon. Das Einzige, das noch fehlt, sind Gay-Parkplätze in Parkhäusern und ein Beschluss des Heiligen Stuhls, eine Kongregation für die Belange der Gay-Community einzurichten. Eher aber wird die al-Qaida eine Frau an die Spitze der Organisation berufen.
Nun, auf die Gay-Parkplätze würden wir zur Not verzichten, auf gleiche Rechte jedoch niemals. Sorry, solange muss Opa Broder uns noch ertragen. Und auch dann ziehen wir uns nicht einfach wieder in den Schrank zurück!
Anlass von Broders Polemik ist übrigens die in Berlin geplante Demo gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes, organisiert vom Aktionsbündnis "Der Papst kommt!". Dass Schwule und Lesben aus dem vereinten Jubelchor zum Deutschland-Besuch Benedikt XVI. aussteigen, kann Henryk M. Broder nicht nachvollziehen:
Während es in der christlichen Welt kriselt und immer mehr Katholiken die Autorität des Papstes in Frage stellen, glauben ausgerechnet die Lesben, Schwulen und Transgender an die Allmacht des Heiligen Vaters. Da er sie nicht von ihrer sexuellen Orientierung erlösen kann, soll er ihnen wenigstens seinen Segen geben. Das ist so absurd, als würden sich Bier-Trinker bei den Guttemplern die Absolution holen, bevor sie zum Oktoberfest aufbrechen.
Thema verfehlt! Auf den Segen des Papstes pfeifen wir, nicht jedoch auf unser Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Und schon gar nicht auf die überfällige Durchsetzung einer strikten Trennung von Staat und Religion.
Wenn einem die wirklichen Argumente fehlen, verweist man bekanntlich gern auf Dinge, die viel, viel wichtiger seien. So auch Henryk M. Broder:
Würden sich die im Anti-Papst-Bündnis vereinten 33 Organisationen in den nächsten drei Monaten um die Opfer der iranischen "Justiz" kümmern, könnten - vielleicht - ein paar Leben gerettet werden. Immerhin ist im Vatikan lange keine Ehebrecherin gesteinigt und kein Schwuler aufgehängt worden.
Das eine schließt das andere doch nicht aus!
Und wo wir schon gerade beim Aufrechnen von Menschenleben sind: Leider gibt es keine Statistiken, wieviele gläubige homosexuelle Jugendliche den Druck der katholischen Kirche nicht ausgehalten und Selbstmord begangen haben. Auch führt die Uno keine Liste, wieviele Menschen weltweit an den Folgen von den Aids gestorben sind, weil sie sich an Kondomverbot des Vatikans gehalten haben.
Jeder einzelne ist einer zuviel!
(Bild oben: Wiki Commons / Sven Teschke, Büdingen / CC-BY-SA-3.0)