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- 28. Juni 2011 3 Min.

Teilnehmerin beim CSD Tel Aviv (Juni 2011) (Bild: ninasaurusrex / flickr / by-nd 2.0)
Antisemitismus oder berechtigte Kritik? Die schwul-lesbische Jugendorganisation IGLYO will eine Konferenz in Tel Aviv abhalten, doch einige Homo-Aktivisten fordern den Totalkoykott Israels.
Von Dennis Klein
IGLYO (steht für: "International Gay and Lesbian Youth Organisation") ist die Dachorganisation von mehr als 50 schwul-lesbischen Jugendgruppen in aller Welt. Zu den Mitgliedern gehören etwa die LesBiSchwule Hochschulgruppe Göttingen, der schweizerische Verein HalloWelt oder die Organisation "Israel Gay Youth". Eigentlich hat IGLYO es sich auf die Fahnen geschrieben, Homophobie in der Gesellschaft zu bekämpfen, doch jetzt kämpft man lieber unter sich: Grund ist der Plan, die jährliche Hauptversammlung im Dezember 2011 in der israelischen Stadt Tel Aviv abzuhalten.
Mehrere israelkritische Organisationen wie "Queers Against Israeli Apartheid" haben sofort Alarm geschlagen. Sie werfen Israel vor, gegenüber Palästinensern eine Politik zu betreiben, wie sie Südafrika gegenüber Schwarzen betrieben hat - und fordern daher den Boykott des mehrheitlich jüdischen Staates. Mehrere Homogruppen haben sich dieser Forderung angeschlossen, so etwa die britische Studentengruppe NUS-LGBT oder die türkische Organisation Kaos-LG. Sie bemängeln, dass der Staat Israel die Konferenz aktiv unterstütze, um sich so von anderen Menschenrechtsverletzungen reinzuwaschen. Dieses "Pinkwashing", heißt es, führe zu einer weiteren Unterdrückung von Palästinensern.
"Unterstützung Israels erhöht Homophobie in der arabischen Welt"

Homo-Aktivist Peter Tatchell will Israel wegen seiner Politik gegenüber Palästina boykottieren
Die angebliche Strategie Israels habe auch Auswirkungen auf die islamische Welt, glaubt der prominente britische Aktivist Peter Tatchell: "Die IGLYO-Konferenz in Israel abzuhalten, wird voraussichtlich die bereits existierende Homophobie in der arabischen Welt vergrößern", erklärte der Mitbegründer der Gruppe OutRage!. "Lesben und Schwule werden dann - zurecht oder zu unrecht - als Unterstützer Israels wahrgenommen".
Befürworter der Konferenz in Tel Aviv werfen den antiisraelischen Aktivisten dagegen vor, beim jüdischen Staat eine andere Messlatte anzulegen als bei anderen Ländern: "Es ist doch völlig falsch, eine jüdische oder israelische Organisation nach ihren politischen Positionen abseits des Themas schwul-lesbische Rechte zu fragen", erklärte etwa Jack Gilbert, der frühere Präsident des Weltkongresses für schwule, lesbische, bi- und transsexuelle Juden. "Es besteht die Gefahr, dass Leute das als Vorwand nehmen, jüdische Produkte oder israelische Organisationen zu boykottieren. Und das führt zu Antisemitismus".
IGLYO: Israel wird wie alle anderen Länder behandelt

Logo der schwul-lesbischen Israelgegner
IGLYO will sich der Kritik nicht beugen und weiterhin nach Tel Aviv fahren. In einem offenen Brief erklärte der Vorstand: "Manche schlagen vor, dass IGLYO keine Konferenz in einem Land abhalten soll, in dem Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Allerdings hat IGLYO immer seine Mitgliedsorganisationen unterstützt, unabhängig von der Politik innerhalb des Staates."
Der Streit um Israel hat bereits in den letzten Jahren die schwul-lesbische Community entzweit wie kaum ein anderes Thema: So hat etwa der Stadtrat in Toronto im vergangenen Jahr darüber debattiert, den CSD-Zuschuss zu streichen, weil eine antiisraelische Gruppe an der Parade teilnehmen wollte (queer.de berichtete). Dieses Jahr sorgte die Ankündigung einer Gruppe aus Tel Aviv für Aufregung, beim Berliner Straßenfest aus Angst vor negativen Reaktionen auf jegliche Zurschaustellung der israelischen Fahnen zu verzichten (queer.de berichtete). Das hat zum Vorwurf geführt, dass sich Juden in Deutschland immer noch schämen müssten, den Davidstern offen zu zeigen.
In Israel verstehen die meisten Aktivisten den Streit nicht: So weisen die CSD-Organisatoren in Tel Aviv gerne darauf hin, was sie in ihrem Land erreicht haben. Homosexualität ist dort seit 1988 legal, seit 1994 werden Homo-Partnerschaften anerkannt. Im Nahen Osten und in arabischen Staaten werden Schwule dagegen in fast überall verfolgt, teilweise droht ihnen sogar die Todesstrafe. Zudem diene Israel als Zufluchtsort für viele Schwule aus der Region, die vor Homo-Verfolgung in ihrem Heimatland fliehen würden. Und dann gibt es noch den CSD: In Tel Aviv feierten erst Anfang Juni zehntausende Israelis und Ausländer ausgelassen den Gay Pride in der Metropole. In Riad oder Teheran können Schwule und Lesben davon nur träumen.














