Hannelore Kraft, die gerührte "Politbitch" (Bild: CS)
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der Ehrenamtler Ansgar Cziba erhielten am Samstag den schwulen Ehrenpreis in Köln.
Von Christian Scheuß
"Nomen est Omen, für diesen Preis werden sie viel Kraft brauchen", scherzte Georg Roth alias Sister George, der routinierte Moderator in Krankenschwesteruniform in Richtung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die elfte Verleihung der Kompassnadel, dem Ehrenpreis des Schwulen Netzwerks NRW, beglückte in diesem Jahr die NRW-Landesmutti. Gewürdigt wurde aber auch traditionell ein Ehrenamtler. Ansgar Cziba, langjähriger ehrenamtlicher Vorstand der Schwulen Initiative Siegen nahm die Ehrung stellvertretend an, um das Engagement zahlreicher freiwilliger Helferinnen und Helfer in der Community zu würdigen. Vor 750 Gästen wurden die kiloschweren Kompassnadel-Skulpturen im Rahmen des von Netzwerk und AIDS-Hilfe NRW veranstalteten CSD-Empfang im Kölner Gürzenich am CSD-Samstag den Preisträgern überreicht.
"Liebe ist...", vom diesjährigen CSD-Motto war auch die wichtigste repräsentative Veranstaltung dieses Wochenendes geprägt. Ein universelles Thema, mit dem man prima auf die gesellschaftspolitischen Forderungen von AIDS-Hilfe und Netzwerk überleiten konnte. So sprach Klaus-Peter Schäfer, Landesvorsitzender der AIDS-Hilfe NRW tabulos das Tabuthema Sexworker an. Er kritisierte die ordnungspolitischen Vorstöße von Politikern, die vor kurzem eine Kondompflicht für Prostituierte eingefordert hatten. Und bemängelte die Vertreibung des Straßenstrichs aus der Dortmunder Nordstadt, durch die unter anderem die Präventionsarbeit für Stricher unmöglich geworden ist. "Der Freier und der Stricher gehören zu den Lebensweisen mann-männlicher Sexualität dazu", solidarisierte sich Schäfer. Aber auch die von der Politik versprochene finanzielle Unterstützung der ARCUS-Stiftung, die im Think-Tank Schwules Netzwerk reifte und entstand, wurde nochmal per Aufforderung an "die zweite Regierende Landesmutter nach Wowereit" in Erinnerung gerufen.
Vom "Gedöns" zur zentralen Aufgabe der Politik
Gewichtiger Preis: Kompassnadel 2011 (Bild: CS)
Der Berliner Journalist Jan Feddersen hatte schließlich die Aufgabe, die Laudatio für die prominente Politikerin zu halten. Seine Lobrede begann jedoch mit einem ordentlichen SPD-Bashing. Vom "langsamen Tanker SPD" war die Rede, einer Partei, die sich bei der Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft vor genau zehn Jahren - von wenigen Politikern wie zum Beispiel Margot von Renesse mal abgesehen - recht unmotiviert gezeigt hätte. Kanzler Schröder hatte die wichtige Forderung der Community als "Gedöns" abgetan. "Aber wir sind ja nicht nachtragend", beruhigte Feddersen. Und nannte dann auch den Grund, warum Hannelore Kraft in diesem Jahr auserkoren worden war. "In ihrer Regierungserklärung vom 15.9.2010 war Homopolitik kein Gedöns mehr, sondern ein zentraler Punkt der Politik, als Querschnittsaufgabe für alle Ressorts." Krafts Glaubwürdigkeit käme durch ihre Souveränität und Coolness, mit der sie ihre Überzeugungen vertrete, lobte Feddersen, um gleich noch eine Forderung draufzusetzen.
"Ich möchte sie ermutigen, die Eingetragene Lebenspartnerschaft nach zehn Jahren zu stornieren und dafür die Ehe für alle zu öffnen. Oder, wie wir in unserer ‚Elsensprache' formulieren würden: Sie als durchgegenderte Frau, als Politbitch sollten das Ding so richtig durchziehen!"
Die Politbitch zeigte sich sichtlich gerührt. Gab auch zu, dass die SPD möglicherweise nicht immer der Motor gewesen sei, doch wenn sie eines versprechen könne, dann, "dass wir das, was im Koalitionsvertrag steht, umsetzen werden." Was das bundespolitische Thema Ehe-Öffnung angeht, da wollte sie keine Versprechungen machen.