Klaus Wowereits Berliner SPD zeigt "Pride" nicht nur beim CSD (Bild: abbilder / flickr / by 2.0)
In zwei Monaten wählen die Berliner ein neues Abgeordnetenhaus - und Klaus Wowereit, der derzeit einzige offen schwule Regierungschef in Deutschland, will es noch einmal wissen. Im Gespräch mit queer.de-Redakteur Dennis Klein erklärt er, warum er den Papst willkommen heißt, was er von der Homophobie-Bekämpfung der CDU hält und wofür die SPD eigentlich steht.
Sie regieren seit zehn Jahren in Berlin. Auf welche Errungenschaften bei schwul-lesbischen Rechten sind Sie besonders stolz?
Aus heutiger Sicht wird oft gesagt, dass mein Outing 2001 dazu beigetragen habe, die Akzeptanz von Schwulen und Lesben in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Ich denke, dass sich auch das Klima insgesamt verändert hat, zum Beispiel durch Veranstaltungen wie den CSD oder das Pride-Festival in Berlin. Wir haben Berlin zu einer stolzen, bunten Stadt gemacht.
Der Papstbesuch wühlt viele Schwule und Lesben auf, weil die katholische Kirche, etwa bei der Homo-Ehe, jegliche Akzeptanz und Gleichstellung ablehnt. Können Sie guten Gewissens den Chef dieser Kirche in Berlin willkommen heißen?
Der Papst ist in Berlin herzlich willkommen und ich freue mich auf seinen Besuch. Ich zeige dem Oberhaupt der katholischen Kirche gern eine offene und tolerante Weltstadt, in der jeder nach seiner Lebensauffassung glücklich sein kann. Dass ich, auch als Katholik, mitunter andere Auffassungen zum Beispiel zum Thema Homosexualität oder Verhütung habe als Papst Benedikt, hindert mich nicht daran, in den kritischen Austausch mit ihm zu treten.
Hat die Kirche ein Recht auf Einmischung in die Politik?
Die Kirchen sind öffentliche Institutionen, die das Recht haben müssen, als Vertreter ihrer großen Mitgliederschaft an gesellschaftlichen Debatten teilzunehmen. Das ist fruchtbar und belebt den politischen Diskurs.
Berlin hat sich im Bundesrat für die Öffnung der Ehe eingesetzt. Wann, glauben Sie, ist es soweit?
Der Bundesrat hat mit den Stimmen der unionsregierten Länder im Jahr 2010 zwei wichtige Bundesratsinitiativen zur gesetzlichen Gleichstellung von Homosexuellen abgelehnt. Zum Einen die Aufnahme der sexuellen Identität in den Artikel 3 des Grundgesetzes zur Gleichheit vor dem Gesetz. Zum Anderen unsere Initiative zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Wann diese bedeutsamen Änderungen endlich vorgenommen werden, kann niemand sagen. Wir jedenfalls werden uns weiterhin vehement dafür einsetzen, endlich die Realität anzuerkennen und Schwulen und Lesben die gleichen Rechte zuzugestehen.
Wowereit über Homophobie-Bekämpfung im CDU-Programm: "Ich bin kein Freund martialischer Drohungen."
Es gibt immer wieder Berichte über Hassgewalt gegen Schwule. Wie wollen Sie das in den nächsten fünf Jahren bekämpfen?
Wir haben hier mit der Initiative "Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt" bereits viel erreicht. Aber es ist noch viel zu tun. Wir brauchen weiterhin eine umfassende Auseinandersetzung mit der Problematik von Übergriffen gegen Homosexuelle. Es bedarf noch stärker als bisher einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit aber auch verschiedener Einrichtungen und Institutionen für die Belange von Lesben und Schwulen. Dazu gehören beispielsweise die Weiterbildung von Pädagoginnen und Pädagogen und das frühe Werben für Aufklärung und Toleranz. Wir setzen Bildung an die erste Stelle, das Erlernen von Toleranz beginnt schon in der Kindheit.
Die Berliner CDU setzt sich in ihrem Wahlprogramm für Null Toleranz bei Hassgewalt gegen Schwule ein und fordert, auch das "Augenmerk auf Herkunft und kulturellen Hintergrund der Täter" zu werfen. Unterstützen Sie das?
Ich bin kein Freund martialischer Drohungen. Hass und Gewalt muss man zuerst in den Köpfen bekämpfen, muss Überzeugungsarbeit leisten, muss Toleranz vorleben. Das ist ganz klar ein schwieriger Weg. Aber es ist der richtige, im Gegensatz zu Versuchen, welche Gewalt auch immer Migrantinnen und Migranten in die Schuhe zu schieben.
Die Grünen mit Spitzenkandidatin Renate Künast versuchen dieses Jahr erstmals, die SPD in Berlin zu überholen (Bild: arne.list / flickr / by-sa 2.0)
Neben Ihnen gibt es mehrere offen schwule Politiker, etwa Johannes Kahrs, Volker Beck oder Guido Westerwelle. Fühlen Sie sich diesen Kollegen besonders verbunden oder spielt das keine Rolle?
Ich beurteile Kolleginnen und Kollegen nicht nach ihrer sexuellen Identität. In der täglichen Arbeit ist das egal. Natürlich hat man ähnliche Erfahrungen gemacht, aber eine schwule Politiker-Community gibt es ebenso wenig wie es ein automatisches Gemeinschaftsgefühl unter heterosexuellen Politikern gibt.
Meist gelten die Grünen - etwa bei LSVD-Wahlprüfsteinen - als die Partei, die sich am meisten für Homo-Rechte einsetzt. Warum sollten Schwule und Lesben dann bei der Abgeordnetenhauswahl die SPD wählen?
Weil die SPD und ich als Spitzenkandidat für ein weltoffenes, tolerantes und diskriminierungsfreies Berlin stehen. Weil wir uns für die Rechte gleichgeschlechtlicher Partnerschaften einsetzen - bis hin zum Adoptionsrecht. Weil unser Konzept von Familie nicht mehr an den Vorstellungen vergangener Jahrzehnte festhält. Auch, weil eine soziale Stigmatisierung genauso schlimm sein kann wie eine sexuelle Diskriminierung und deshalb auch dafür gesorgt sein muss, dass niemand seiner Lebenschancen beraubt wird. Ein sozialer Ausgleich, gute Arbeit und gebührenfreie Bildung sind deshalb ebenso wichtig wie eine aktive Gleichstellungspolitik. Berlin ist zu einem Symbol der Freiheit geworden. Dafür steht die SPD und das ist auch gut so.
Nicht die einzelnen Kirchenmitglieder mischen sich in die politische Debatte ein, sondern Kirchenoberhäupter, Bischöfe, die ebensowenig demokratisch gewählt worden sind wie seinerzeit der König von Preußen oder der Fürst von Lippe...
Ich denke, man muß hier differenzieren zwischen den Hardlinern und "Berufskatholiken" und den tatsächlichen Kirchensteuerzahlern. Vielleicht sollte man denen mal (auch in ihrer Eigenschaft als wahlberechtige Bevölkerung in D) eine größere Teilnahme an politischen Debatten einräumen.