(Bild: Wiki Commons / Sächsisches Staatsministerium des Innern / CC-BY-SA-3.0-DE)
Kritiker werfen der sächsischen Polizei vor, verpartnerte Schwule und Lesben nicht wie verheiratete Heteros über ihre Rechte aufzuklären - das Innenministerium weist das zurück.
Von Dennis Klein
Wiederholt haben die Gerichte entschieden, dass Lebenspartnerschaften nicht grundlos gegenüber der Ehe benachteiligt werden dürfen. Allerdings führt alleine die Tatsache, dass es zwei Institutionen gibt - für Heterosexuelle die Ehe, für Homos die Lebenspartnerschaft - unweigerlich zu Ungleichbehandlung. Sachsen liefert hierfür das beste Beispiel: Im Freistaat hat die schwul-lesbische Initiative 2=2 herausgefunden, dass mindestens eine Polizeidirektion schwule und lesbische Lebenspartner nicht über ihr Recht auf Zeugnisverweigerung aufgeklärt hat. Dieses Recht zur Auskunftsverweigerung bei staatlichen Stellen steht eigentlich sowohl (heterosexuellen) Ehepartnern als auch eingetragenen Lebenspartnern zu. Dem Gesetz nach muss die Polizei auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner - selbst wenn sie erst verlobt sind - über ihr Recht aufklären.
Im vorliegenden Fall aus Dresden wurde das bei einem 29 Jahre alten Lebenspartner bei einer schriftlichen Zeugenvernehmung unterlassen. Das Dokument, das queer.de vorliegt, weist lediglich auf heterosexuell Verheiratete hin: "Die Polizei begeht hier einen schweren Verfahrensverstoß", beschwert sich Christian Richter, der Sprecher der Initiative 2=2. Die Homo-Gruppe ist in den Besitz von Unterlagen gekommen, die diesen Verstoß aufdecken. Es sei möglich, dass es auch andere Polizeidirektionen bei diesem Thema nicht so genau nehmen.
Ministerium: Polizei soll handschriftlich ergänzen
Die schwarz-gelbe Regierung des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) hält nichts von der Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben (Bild: Crashy Meissen)
Das sächsische Innenministerium sieht allerdings kein Fehlverhalten: "Die sächsische Polizei benachteiligt oder diskriminiert in keinster Weise Schwule und Lesben", erklärte Ministeriumssprecher Lothar Hofner auf queer.de-Anfrage. Die meisten Zeugen würden ohnehin mündlich vernommen - und hier sei die Kategorie Lebenspartnerschaft bereits in das "polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem" aufgenommen worden. "Bei der schriftlichen Äußerung, die in der polizeilichen Praxis die Ausnahme darstellt, wird die Lebenspartnerschaft in der Tat bisher nicht ausdrücklich angeführt", so Hofner weiter. Je nach Fall könne jedoch das "zutreffende Verwandtschaftsverhältnis handschriftlich ergänzt werden".
Jederzeit werde laut Hofner zumindest auf "§ 52 StPO" hingewiesen - in diesem Gesetz sei schließlich ausgeführt, dass auch Lebenspartner ein Recht auf Zeugnisverweigerung zusteht. Im vorliegenden Fall aus Dresden ist das aber nicht so: Hier wird lediglich auf den Paragrafen beim Thema Auskunftsverweigerungsrecht hingewiesen. Beim Recht auf Zeugnisverweigerung werden Lebenspartner oder Gesetzestexte dagegen nicht erwähnt. Fraglich ist ohnehin, wie viele Menschen diesen Paragrafen der Strafprozessordnung im Kopf haben.
Auch die sächsische Opposition kritisiert inzwischen die Vorgehensweise der Polizei. So bezeichnete die grüne Abgeordnete Eva Jähnigen die Praxis am Mittwoch als "unfassbar". Sie diskriminiere die Betroffenen und sei "ggf. ein schwerer Verfahrensfehler im Strafprozess", erklärte Jähnigen.
Die Initiative 2=2 vermutet hinter den Defiziten beim Recht auf Zeugnisverweigerung Methode: "Dieser Fall verdeutlicht, dass die Rechte von Schwulen und Lesben in Sachsen nichts wert zu sein scheinen", erklärte Richter. Das von CDU und FDP regierte Sachsen ist immerhin das letzte Bundesland, das an der Benachteiligung von Schwulen und Lesben im Landesrecht festhält (queer.de berichtete). Die Staatsregierung stellte erst unlängst in der Antwort auf eine Große Anfrage der Grünen fest: "Eine grundsätzliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe ist nicht beabsichtigt". Dabei sind sich Rechtsexperten weitgehend einig, dass die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern spätestens seit Inkrafttreten der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie vor rund acht Jahren erfolgen musste. Zuletzt verurteilte der Europäische Gerichtshof das Land Hamburg, weil es eine ähnliche Diskriminierung duldete (queer.de berichtete). Sachsen ignoriert dieses Urteil bislang.
Schriftliche Zeugenvernehmung soll jetzt überarbeitet werden
Immerhin hat das Innenministerium angekündigt, dass Schwule und Lesben - wie im Gesetz vorgesehen - künftig genauso wie Heterosexuelle über ihre Rechte aufgeklärt werden sollen. Man habe zwar bislang nichts falsch gemacht, "gleichwohl wird der Hinweis zum Anlass genommen, die bisherige Formulierung im Interesse einer Klarstellung zu überarbeiten", erklärte Ministeriumssprecher Hofner. Eine Öffnung der Ehe würde dieses Problem viel einfacher lösen, diese ist aber wiederholt von einer Mehrheit im Bundesrat abgelehnt worden - mit der Stimme des Freistaates Sachsen.