
Ein Bild aus dem Zeltlager von Norwegens Jungsozialisten aus dem Vorjahr. Ist die Berichterstattung von Queer.de angesichts dieser unaussprechlichen Tragödie angemessen? Manche Leser denken: Nein.
Eine britische TV-Satire brachte mal einen Gag: Gezeigt wurde ein TV-Wettermann, der das Wetter erklärte. Und dann ankündigte: "Und nun das Wetter für Schwule."
Als ähnlich albern haben einige unserer Leser unsere Berichterstattung zum Attentat in Oslo und Utøya empfunden. In den kritisierten Artikeln ging es um ein lesbisches Paar, das mit einem Elektroboot Jugendliche rettete, und um den schwulen Chef der Jungsozialisten Norwegens.
"Menschen wurden gerettet - da spielt die sexuelle Orientierung keine Rolle!", schreibt Knut bei Facebook. "Gezielt die sexuelle Orientierung heraus gepickt um daraus ne Story zu basteln. Das ist unterstes Schubladenniveau. Noch schlimmer als die Bild", empört sich Harry. Auch andere User beschwerten sich auf queer.de oder auf unserem Facebook-Profil oder lobten Leser-Kommentare wie den von Werner: Es sei daneben, "hier den Aspekt der sexuellen Orientierung großartig hervor zu heben. Anstelle dessen sollte man sich selbstkritisch die Frage stellen, ob man selbst in dieser Situation auch so gehandelt hätte, wenn man vor Ort gewesen wäre."
Wir sind ein LGBT-Medium und als solches greifen wir die Themen in einem bestimmten Winkel auf - wie jede Lokalzeitung, die einen Bezug zur Heimat sucht. Oder so wie fast alle deutschen Medien, die am Wochenende gezielt über einen deutschen Retter berichtet haben. Über das lesbische Paar und über den Chef der Jungsozialisten fanden wir sonst nichts Näheres in den deutschen Medien. Folglich haben wir über diese Leute berichtet, nicht nur, weil sie schwul oder lesbisch sind, sondern auch, weil sie vor allem Interessantes zu erzählen hatten.
Wenn Werner fordert, man solle darüber nachdenken, wie man selbst in solchen Situationen handeln würde, sind Augenzeugenberichte zweifellos hilfreich. Sie ergänzen die allgemeine Berichterstattung und bringen das Ereignis näher (finden wir übrigens keinen Bezug, lassen wir in der Regel die Berichterstattung, was uns, etwa zur Flutkatastrophe in Japan, freilich auch vorgeworfen wurde). Das Runterbrechen, wie das unschöne Wort für diese Praxis der ergänzenden Berichterstattung lautet, ist aufgrund der sexuellen Orientierung vielleicht vor allem ungewohnt. Dabei hat es manchmal eine Zusatzfunktion.

Hege Dalen berichtet von ihrer Rettungsaktion
Denn das lesbische Paar tauchte gestern abend noch bei "Spiegel TV" auf. Die eine von beiden auf ihrem Boot, die andere Minuten später an Land, so als gebe es keinen Bezug zwischen den beiden. Das ist etwas, das recht oft zu beobachten ist - dabei ist Sichtbarkeit gerade für Schwule und Lesben wichtig. Nicht zwanghaft, aber wenn es gerade darum geht, dass Täter gegen die moderne Vielfalt der Welt vorgehen, ist es schade und falsch, wenn "wir" ignoriert werden.
Vor zehn Jahren hatten wir auch über 9/11 berichtet. Die Kollegen der "rik" schrieben damals hingegen, die sexuelle Orientierung der Opfer sei "irrelevant". Wird diese Haltung ihnen gerecht? Über Mark Bingham war hierzulande wenig zu lesen, in Amerika wird er als Teil der Fluggäste von United 93, die sich gewehrt haben, als schwuler Held gefeiert. Über ein schwules Paar, das mit Adoptivsohn im Flug United 175 ums Leben kam, gab es nirgendwo größere Berichte.
Viel zu lesen war über den Pfarrer Mychal Judge. Er wurde von einem Trümmerteil des Word Trade Centers tödlich verletzt, als er einem Verletzten Beistand leistete. Er war in New York bekannt und ein Freund der Clintons, die zu seiner Beerdigung kamen. Er war schwul, als römisch-katholischer Priester, teilweise auch offen. Dazu fand man in einem mehrseitigen Portrait des Spiegels Tage später kein Wort.
Der Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen hat vor rund zehn Jahren den Kölner Appell verabschiedet. Medien werden aufgerufen, die sexuelle Orientierung von Personen nicht zu verschweigen "und dadurch zu einem entspannten und selbstverständlichem Umgang mit lesbischen, schwulen und bisexuellen Lebensweisen beizutragen."
Solange das hapert, sind ergänzende Berichte unsererseits zweifellos notwendig. Vor allem, wenn die dargestellten Personen wichtige Dinge erzählen wie Torill, Hege und Eskil. Nebenbei sind wir froh, gelegentlich über Schwule und Lesben nicht nur als Opfer zu berichten, sondern auch als Helden. Oder besser: Als Vorbilder, nicht nur durch ihr Coming-out, sondern durch ihr gesamtes Handeln, ihre Persönlichkeit. Ihre sexuelle Orientierung ist ein Teil davon.

Eskil Pedersen, der Vorsitzende von Norwegens Jungsozialisten und Utøya-Überlebender, der viele Freunde verloren hat, trägt sich am Montag ins Kondolenzbuch ein
ob ein LGBT-Medium oder nicht. Wenn dann sollte sachlich und aktuell über die GEschehnisse berichtet werden. Wie die meisten bereits kommtiert haben, darf hier nicht dioe sexuelle Orientierung der Opfer, Retter, Helfer - wem auch immer - interessieren. Und den Zuschauer interessiert weniger, ob die beiden Helferinnen ein paar sind. Ihn interessiert das sie geholfen haben. Wären sie schwarz, muslimisch, politisch rechts, dick, analphabeten, geschieden, etc - würde das auch nciht interessieren! Hier sind Menschen gestorben! Da finde ich es ehr peinlich, durch aufgreifen des Themas die eigenen Internetpräsenz verbessern zu wollen. Sorry, aber das ist keine LGBT-relevante Berichterstattung, das ist daneben! Eine wie von Euch geführte Berichterstattung kann man in ein- zwei Monaten gerne bringen, aber nciht gleichs so nah am Geschehen. Das ist nur Marketing, aber kein Journalismus!