Mit Therapie ist die Viruslast vieler Positiver so gering, dass eine HIV-Übertragung auch ohne Kondom sehr unwahrscheinlich ist (Bild: Tomizak / flickr / by-nd 2.0)
Eine Richtlinie der schweizerischen Aids-Kommission aus dem Jahr 2008, die Bareback-Sex für therapierte HIV-Positive unter bestimmten Umständen für vertretbar hält, hat die Zahl der neuen HIV-Fälle nicht erhöht.
Die "Eidgenössische Kommission für Aidsfragen" (EKAF) hatte vor gut drei Jahren mit dem Beschluss für Aufregung gesorgt. Die Experten argumentierten, dass bei geringer Viruslast die Gefahr einer HIV-Ansteckung verschwindend gering sei – und dass Positive daher auf das Kondom verzichten könnten, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt seien (queer.de berichtete). 2009 folgte die Deutsche Aidshilfe der Empfehlung der Schweizer in einem Positionspapier (queer.de berichtete).
Die Empfehlung hat in der Schweiz nicht zu einem Anstieg der HIV-Neudiagnosen geführt: In einer aktuellen Untersuchung der Universitätsklinik Zürich heißt es, dass die Bevölkerung die relativ komplexe Empfehlung verstehen würde, berichtet das Schweizer Fernsehen (SF). Die Forscher unter Leitung von Barbara Hasse haben zwischen 2007 und 2009 mehr als 7.000 HIV-Positive über ihr Sexualverhalten befragt. Demnach benutzen die Befragten in 80 Prozent der sexuellen Kontakte ein Kondom, mit Gelegenheitspartnern sogar zu 88 Prozent. Bei Geschlechtsverkehr mit HIV-Negativen wurde das Kondom in 89 Prozent der Fällen verwendet, beim Sex mit Positiven aber nur zu 48 Prozent. Nach der EKAF-Empfehlung konnten die Forscher einen Anstieg der Bareback-Kontakte feststellen, der aber nicht zu mehr Neudiagnosen geführt habe.
Einschränkend erklärten die Wissenschaftler, dass sie nicht mit letzter Sicherheit feststellen könnten, ob die Empfehlung der Aids-Kommission wirklich zu einer Verhaltensänderung geführt habe. Möglich sei auch, dass die Dämonisierung von Bareback-Sex dazu geführt hat, dass HIV-Positive eher zugaben, dass sie ungeschützten Sex gehabt haben.
Die EKAF-Empfehlung besagt, dass die Gefahr einer Virus-Übertragung von HIV-Positiven vernachlässigbar sei, wenn drei Punkte erfüllt seien: Erstens muss die Viruslast des HIV-positiven Partners seit sechs Monaten unter der Nachweisgrenze liegen. Zweitens müssen die antiretroviralen Medikamente konsequent eingenommen werden. Drittens dürfen bei den Sexualpartnern keine Schleimhautdefekte vorhanden sein. Diese sind häufig Folge sexuell übertragbarer Infektionen. Wenn diese Punkte erfüllt seien, sei das Risiko einer HIV-Übertragung geringer als 1:100.000. (dk)