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  • 01. Oktober 2011 13 4 Min.

Schwule dominieren die Berichterstattung über CSDs und Homo-Ehe. Elke Amberts Studie liefert erstmals Zahlen zur bisher nur gefühlten "Leerstelle Lesben" und analysiert die wenigen, oft verzerrenden Darstellungen lesbischer Frauen

Elke Amberg hat in ihrem Buch "Schön! Stark! Frei!" detailliert herausgearbeitet, wie Lesben in den Medien (nicht) dargestellt werden. Wir veröffentlichen die Einleitung als Leseprobe.

Von Elke Amberg

Da sind sie wieder, die Tunten, grell geschminkt, mit rotem Lackkorsett, Federbüscheln auf dem Kopf und Plateauschuhen. Und der Text unter dem Foto? Ähnlich weit von der Wirklichkeit entfernt wie diese Maskerade. Der Christopher Street Day, ein großer Karneval, Luftballons und Lederpeitschen, "und am Rande küssen sich zwei Frauen". Das ist die einzige Zeile in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung, die darauf schließen lässt, dass bei der "Schwulenparade" auch Lesben dabei waren. Dazu erfährt die interessierte Leserin, dass nun auch Schwule auf dem Standesamt heiraten können, aber die echte Gleichstellung mit der Ehe noch aussteht. Der Blick in die Zeitung am Morgen nach der Parade, die erfüllt war von den Begegnungen mit Freundinnen, die frau seit Jahren nicht mehr gesehen hat, beim Nachverdauen der Neuigkeiten, die im Trubel der Menge in aufgekratzter Stimmung ausgetauscht wurden – der Morgen danach ist für lesbische Frauen ein großer Frust. Denn die Welt der Zeitungen kennt keine lesbischen Frauen.

Szenenwechsel: Lesben und Schwule sind Thema in den Fernsehnachrichten. Die Homo­sexuellen, heißt es, dürfen nun das Kind ihres Homo-Partners adoptieren. Im Bild: ein Schwulenpaar mit einem Kind in der Mitte. Es veranschaulicht die neuen bahnbrechenden bürgerlichen Rechte, die schwulen Männern nun eingeräumt werden.

Ein Dank an die lesbische Journalistin Esther L. aus Uganda


Das Hamburger Abendblatt berichtete kürzlich über "Zehn Jahre ´Schwulen-Ehe´": Dürfen sich lesbische Paare nicht auch verpartnern?

Nochmals Szenenwechsel. Und jetzt wird es sehr ernst: Eine lesbische Journalistin aus Uganda, hier kurz E. genannt, beantragt 2010 Asyl in Deutschland. Sie hat zu lesbischschwulen Themen veröffentlicht in einem Land, das ein bereits bestehendes Gesetz gegen Schwule noch verschärfen will. Als Höchststrafe ist nun die Todesstrafe geplant und das Gesetz soll auch auf Lesben anwendet werden.

Esther L. wurde von ihrer Familie wegen ihres Lesbisch-Seins verstoßen. Eine Heirat sollte arrangiert werden, um die Sache zu vertuschen. Als das nicht klappt, dringen Unbekannte in ihre Wohnung ein und vergewaltigten sie.

Esther L. ist eine Kämpferin mit Wunden, die nicht so schnell heilen. In Deutschland ist ein Asylantrag wegen Verfolgung aufgrund der sexuellen Identität möglich. Und deutsche und internationale Zeitungen berichten im Herbst 2010 sogar über das geplante Gesetz in Uganda. Hass­verbrechen und öffentliche Hetze gegen Lesben und Schwule sind in Uganda an der Tagesordnung. Fundamentalistische christliche Gruppen aus den Vereinigten Staaten unterstützen die Hasspropaganda durch eine "etwas andere" Missionarsarbeit. Als die Anhörung zu dem Asylantrag der Journalistin vor der Tür steht, ist Uganda sogar in den internationalen Schlagzeilen. Die westliche Presse empört sich, denn eine neu gegründete ugandische Zeitung begnügt sich nicht mit der üblichen Hetze. Die Zeitung veröffentlicht zur Steigerung der Auflage "exklusiv" Bilder von "stadtbekannten" Lesben und Schwulen und fordert ihre LeserInnen auf: "Hang them" – "Hängt sie auf". In der deutschen Presse ist von lesbischen Frauen jedoch nicht mehr die Rede. Es heißt, das neue Gesetz sehe für Schwul-Sein die Todesstrafe vor, und es werde zur Lynchjustiz gegen Schwule aufgerufen. Esther L. ist nicht schwul, sondern lesbisch und weiß anderes zu berichten. Ihre Anhörung Anfang November dauert fünf Stunden. Der Dolmetscherin stehen mehrmals die Tränen in den Augen, berichtet die Rechtsanwältin hinterher. – Vielleicht ist es Esther L. zu verdanken, dass diese Studie nun tatsächlich mit allen Mühen und Plagen, die damit verbunden waren, entstanden ist…

Nicht nur lesbische Jugendliche benötigen Vorbilder und Mutmacherinnen


Auch die sonst geschätzten Kollegen von Spiegel Online haben die lesbischen Teilnehmerinnen des Amsterdam Pride einfach unter den Tisch fallen lassen

Selten ist es für Lesben von so existenzieller Bedeutung, dass sie in den Medien vorkommen. Oder ist das zu kurz gedacht? Was geht in den Köpfen lesbischer und bi­sexueller Mädchen vor, die im Coming-out sind? Die Selbstmordrate ist bei lesbischen und schwulen Jugendlichen im Vergleich zu ihren heterosexuellen AltersgenossInnen viermal so hoch. Welche Wirkung hat die Nicht-Sichtbarkeit von Lesben auf den Prozess ihrer Identitätsfindung und ihr Coming-out? Welche Wirkung hat die Nicht-Sichtbarkeit auf das Selbstbewusstsein bei jeder einzelnen lesbischen Frau und auf ihr Sich-Verorten in dieser Welt?

Wie allein und von der ganzen Welt verlassen fühlt sich eine Lesbe, die nicht in der Großstadt wohnt und sich im Alter von fünfzig Jahren plötzlich in eine Frau verliebt – dabei gibt es doch so viele, die so etwas erleben! Welche existenziellen Ängste halten Prominente, egal, ob sie Politikerinnen, Schauspielerinnen oder Sportlerinnen sind, davon ab, offen lesbisch zu leben? Lieber führen sie ein anstrengendes Doppelleben, verleugnen sich und ihre Lebensgefährtin, Liebste oder Partnerin. Dabei könnten sie mit einem mutigen kleinen Schritt an die Öffentlichkeit die lang ersehnten Vorbilder und Mutmacherinnen sein, die nicht nur die Jugendlichen so dringend benötigen.

Elke Amberg: Schön! Stark! Frei! Wie Lesben in der Presse (nicht) dargestellt werden, Paperback, 248 Seiten, Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach 2011, 20 €

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#1 antosProfil
  • 01.10.2011, 18:36hBonn
  • Endlich mal ein Thema, das definitiv auf 'queer.de' gehört, hier aber bisher leider nie stattgefunden hat.

    Liebe Elke, bei all deiner sicher berechtigten Presseschelte - wo bitte sind die Frauen, die öffentlich lesbenpolitisch Stellung beziehen? Wer außer Hella von Sinnen fällt dir ein - ungestützt durch Insider-Lesbenmagazine? Als öffentliche Person? Die sich konsequent zum Thema äußert?

    Vielleicht Anne Will, die auch noch den miesesten klerikalen Homobasher ohne Widerspruch ausreden lässt? Oder Rita Süssmuth, die es im gesegneten Alter dann doch noch schafft, ausgerechnet der LSU beizutreten, weil sie ja auch offenkundig gern über Katholizismus und Moral spricht?

    Verstecken sich lesbische erfolgreiche Frauen noch lieber als erfolgreiche schwule Männer?
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#2 KarstenAnonym
  • 01.10.2011, 18:51h
  • Anstrengender Text. Immer dann wenn es passt, bedient sich die Autorin lesbischer Abwesenheit um ihr Argument zu untermauern (CSD-Berichterstattung etc), wenn's nicht passt (Selbstmordrate, die bei jugendlichen Lesben deutlich niedriger ist als bei schwulen Teenagern), sitzen wir plötzlich wieder alle in einem Boot. So geht's argumentativ nicht. Und was wäre denn, wenn statt über Anne Will, Maren Kroymann, Dunja Hayali und neuerdings ja auch Alice Schwarzer, immer nur über Hella von Sinnen oder Ulrike Folkerts (das wandelnde Lesbenklischee: laut, butch, lustig oder tough, butch, sportlich) berichtet werden würde? Das wäre dann wie die Berichterstattung über Transen beim CSD als alleinige Repräsentanz schwulen Lebens in Deutschland. Beides stimmt als Bild nicht so ganz. Was aber stimmt: Laut und butch oder laut und tuntig sein ist viel mutiger und schwieriger als Alice Schwarzer zu sein, Jahrzehntelang im Schrank zu sitzen und sich parallel über mangelnde Medienaufmerksamkeit für Lesben zu beschweren. Da sind die Schwulen was den offenen Umgang mit ihrer Sexualität in den Medien anbelangt deutlich weiter und vielleicht ja auch deswegen sichtbarer.
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