Magnus Hirschfeld hat viel ertragen müssen. Aktuell wird er von der FDP als "schwule Sau" missbraucht
Die Liberalen werben in Szenemagazinen, ihre Arbeit stehe "in der Tradition" des Vordenkers der LGBT-Bewegung. Geht es noch dreister?
Von Norbert Blech
Huch, was ist denn in die FDP gefahren? In ganzseitigen Anzeigen wirbt sie in Szene-Magazinen wie "rik" und "Siegessäule" mit dem Konterfrei Magnus Hirschfelds und der Schlagzeile "schwule Sau". Beschimpft sie den von den Nazis verfolgten Vordenker der modernen LGBT-Bewegung? Natürlich nicht. Mit der trotzdem beleidigenden Schlagzeile bewirbt sie die Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung als ihren Einsatz gegen Diskriminierung. Die ganze Anzeige ist unglücklich. Und anmaßend und irreführend.
"Wir müssen die Köpfe der Menschen erreichen, statt nur Antidiskriminierungsgesetze zu verabschieden", heißt es etwa. Nun hat die FDP keine Antidiskriminierungsgesetze verabschiedet, wie man da heraus lesen könnte, sondern dagegen gestimmt (wie bei so vielem, was Hirschfeld unterstützt hätte). Und was die Wirkung auf die Köpfe betrifft: Keine andere Partei hat so laut dagegen gepoltert. Übrig blieb am Schluss, dass Antidiskriminierung unökunomischer Unsinn, sprich: unwichtig ist. Was auch bedeutet: Diskriminierung kann gar nicht so schlimm sein. Da blieb in den Köpfen mehr von hängen als von allen gut gemeinten und teuren Kampagnen der letzten Jahre.
Die Anzeige erweckt den Eindruck, die Stiftung sei gegründet worden, weil "schwule Sau" ein häufiges Schimpfwort an Schulen ist. Klingt toll, nach der Bereitschaft zum schnellen Handeln (*), hat aber wenig mit der Realität zu tun. Die Stiftung ist keine FDP-Initiative, sondern geht zurück auf einen gemeinsamen Bundestagsbeschluss aller Parteien von vor über zehn Jahren. Den Abgeordneten ging es hauptsächlich um einen kollektiven Ausgleich für das erlittene Unrecht von Schwulen, Lesben und Transgendern während der NS-Zeit und danach. Ihr Leben und Leiden sowie ihre Verfolgung zu erforschen ist und bleibt ein Hauptziel der Stiftung und sollte den Personen nicht zu Werbezwecken genommen werden. Erst recht vor dem Hintergrund, dass sie keine individuelle Entschädigung (und bei einer Verurteilung nach 1945 nicht mal eine Rehabilitierung) erhielten, ein Skandal für sich. Sie sind nun nicht mal eine Erwähnung wert.
Vereinnahmung statt Förderung
Zugleich sollte die Stiftung nach Wunsch des Parlaments in die Gegenwart hinein wirken, durch Förderung "homosexueller Bürger- und Menschenrechtsarbeit". Genau das sieht die CDU/FDP-Version der Stiftung nicht mehr vor. Sie soll nun nur "durch Bildung und Forschung" Diskriminierung entgegentreten, wie es auch in der Anzeige heißt. Das reicht nicht.
Als Rot-Grün die Stiftung erstmals plante, übrigens mit einem deutlich höheren Etat, ließen Union und FDP sie im Bundesrat scheitern, weil sie zu partei- und verbandspolitisch gefärbt gewesen sein soll. Die Kritik war nicht völlig unberechtigt, im Vergleich zur heutigen Vereinnahmung der Stiftung durch die FDP war dies aber noch harmlos. Selbst die Homepage der neuen Stiftung benennt nur Erfolge, die die FDP-Justizministerin erzielt habe, und lässt andere Personen, Verbände und Parteien unerwähnt.
Investitionen in tolerante Zukunft? Schön wärs
Zurück zur Anzeige. Man investiere "in eine tolerante Zukunft für lesbisches, schwules und transidentes Leben", heißt es fettgedruckt - dabei wird mehr von der Politik erwartet als Toleranz. Und von Lesben und speziell Transgendern gibt es laute und berechtigte Kritik an Zielen und Zusammensetzung der Stiftung (queer.de berichtete). Diese Kritik hat es freilich redaktionell nicht in die Szene-Magazine geschafft, wo wohl kein Platz war zwischen Design- und Saunastrecken und der Anzeige der FDP.
Immerhin die Kürzung bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erwähnt die "rik", die von der FDP wortreich verteidigt wird - die Kürzung freilich, nicht die Behörde. Im Vergleich zu 2011 hat die Stelle im nächsten Jahr 50.000 Euro weniger für Öffentlichkeitsarbeit, im Vergleich zu 2010 75.000 Euro weniger (queer.de berichtete). Die Köpfe der Menschen erreichen, durch Investition? Wohl nur mit eigenen Anzeigen der Partei zum eigenen Zweck.
Man arbeite "in der Tradition Magnus Hirschfelds", behauptet die FDP-Anzeige zum Schluss. Der "Vorkämpfer der Homosexuellenbewegung" hat das nicht verdient.
* Nachtrag: Zur in der Anzeige angepriesenen Unterstützung von LGBT-Jugendlichen s.a. Leserkommentar #9 oder diesen Artikel.