Klaus Mann (1906-1949) nahm sich im Alter von 42 Jahren in Cannes das Leben
Jetzt endlich auch als Buch: Andre Sokolowskis Theaterstück "Klaus Mann stirbt" zeichnet ein privates und abgründiges Bild des unverstandenen Autors.
Von Angelo Algieri
Er war homosexuell, drogensüchtig, manisch depressiv – und dazu aus renommiertem Elternhaus. Er kämpfte gegen die Nazis auf Seiten der US-Amerikaner, schrieb "Mephisto", "Treffpunkt im Unendlichen" oder "Symphonie pathétique" – und beging Selbstmord in einem Hotel in Cannes am 21. Mai 1949. Die Rede ist von Klaus Mann, Autor und ältester Sohn des berühmten Schriftstellers Thomas Mann ("Buddenbrooks").
Über seine letzten Stunden hat der in Gera geborene Autor Andre Sokolowski, Jahrgang 1959, das Theaterstück "Klaus Mann stirbt" verfasst. Der Dramatiker hat es bereits 1998 geschrieben, nun ist es im Berliner epubli Verlag veröffentlicht. Die Uraufführung fand zum 100. Geburtstag Klaus Manns am 18. November 2006 im Berliner Theater "Ausland" statt.
Es fängt mit einem Monolog von Klaus Mann an. In erster Linie trauert er seinen verflossenen Lieben nach. Da wäre seine erste: Uto Gartmann. Er lernte ihn 1923 in der Odenwaldschule kennen. Er gestand ihm seine Liebe. Doch Uto "sagte, Freunde solln einander lieb haben, natürlich. Was denn sonst, Idiot. Er wollte es nicht verstehen, er verstand es einfach nicht.", so legt Sokolowski Manns Verzweiflung in den Mund.
Kleinigkeiten reichten aus, um Klaus Manns Lebenswillen auszulöschen
Klaus Mann 1944 als US-Sergeant in Italien. An der Wand hängen Flugblätter, die zum Teil von ihm verfasst sind. (Bild: Wiki Commons / United States 5th Army / PD US Military)
Die andere Enttäuschung war die mit dem Theaterkritiker Thomas Quinn Curtiss, von Mann "Tomski" genannt. Sie lernten sich 1937 in Budapest kennen. Besuchten sich später in den USA. Als Tomski im Oktober 1942 eine Verabredung zunächst aufgeschoben und dann abgesagt hatte, wollte sich Mann umbringen: "Machte ein heißes Bad zurecht und nahm ein Messer. Ich versuchte es am rechten Handgelenk. Das Messer war nicht scharf genug, auch war es viel zu dreckig. Also noch mal. Es tat weh, nicht sehr. Begann etwas zu bluten. Nein, es reichte nicht. Ich hörte plötzlich auf zu bluten." Es reichten meist Kleinigkeiten aus, um "seinen Lebenswillen auszulöschen", wie Nicole Schaenzler folgerichtig in ihrer Klaus-Mann-Biografie unterstrich. Mann hatte im Laufe seines Lebens etliche Suizidversuche hinter sich und war regelmäßig in Therapie.
Im Sokolowskis Stück kommt es in der letzten Szene zu einem Bruch: der Monolog wird zu einem Dialog. Louis erscheint. Er bleibt bis heute ein Mysterium: Klaus Mann traf oder wollte sich mit ihm in der Zanzi-Bar in Cannes treffen. Und bisher konnte niemand genau sagen, wer sich dahinter verbarg: Ein Stricher, ein Saufkumpane oder ein Druffi wie Mann es war? In Sokolowskis Stück will Louis Geld und Drogen. Dann zuckt er die Axt und ist bereit zuzuschlagen…
Dramatiker Sokolwoski gelingt es eindrücklich, die letzten Augenblicke von Klaus Mann in seiner Einsamkeit und Enttäuschung zu zeichnen. Auch was die Sprache angeht: Er lehnt sich an die von Mann an und verdichtet sie zunehmend auf poetische Weise – ohne übertrieben oder pathetisch zu wirken. Und zeigt seine tiefe Widersprüchlichkeit, die durch Manns Depression und Drogensucht verstärkt wird. So zerbricht Mann während des Monologs einen Spiegel: Symbol für die Zersplitterung seines Ichs, ein Zerrbild seiner "Seele", die zerfurchte Identität eines Unverstandenen.
Der Monolog erinnert an das Hörspielstück Sechs Gramm Caratillo von Horst Bienek, kongenial von Klaus Kinski umgesetzt. Hierin nimmt der Protagonist ein Gift ein und zeichnet sein Monolog des Sterbens auf. Rückblicke kommen darin vor, ähnlich wie in Sokolowskis Stück.
Klaus Mann, der schwule Maso
Schlichtes Cover: Andre Sokolowski schrieb das Bühnenstück bereits 1998
In der Dialogszene lässt der Dramatiker offen, ob Louis ihn erschlägt. Ob Louis überhaupt ins Hotelzimmer eingetreten ist. Oder ob er nur eine Halluzination ist. Kommt es von den vielen Schlaftabletten, die Klaus Mann eingenommen hat? Oder ist Louis die Personalisierung seiner Ängste, die ihn umbringen wollen? Nach dem sinnierenden Monolog wirkt der Dialog etwas unheimlich: kurze Sätze oder unausgesprochene Halbsätze geben dem Ende einen absurden Drive, eine Dramatik, einen Thrill. Erst recht als plötzlich Louis die Axt zuckt.
Das Besondere an Sokolowskis Stück ist, Klaus Mann vordergründig als Schwulen darzustellen. Mit Liebesschmerzen, dem schweren Umgang des Älterwerdens und dem sexuell-masochistischen Begehren. So lässt er sich gerne unterwerfen und möchte geschlagen, getreten sowie hart rangenommen werden. Ein sehr persönlicher und sinnlicher Klaus Mann. Selbst in den Biografien findet man ihn nicht so sexualisiert, obwohl es Hinweise in seinen Tagebüchern gibt. Etwa, dass er nachts gerne cruiste oder sich einen Stricher besorgte.
Man kann bedauern, dass andere Aspekte nur angedeutet werden. Etwa sein politisches Engagement gegen die Nazis im Exil, sein zerrüttetes Verhältnis zum Vater oder die kühle Beziehung nach 1945 zu seiner älteren Schwester Erika. Auch seine Werke sind kaum thematisiert. Doch Sokolowski tut gut daran, ihn von seiner privaten Seite zu zeigen – alles andere wäre überfrachtet und gekünstelt.
Dem in Berlin lebenden Dramatiker ist es geglückt, einen schwulen, abgründigen und unverstandenen Klaus Mann vorzulegen. Eine verdienstvolle, andere Erzählung, die unbedingt des Öfteren auf der Bühne gespielt werden sollte!
Andre Sokolowski: Klaus Mann stirbt, epubli Verlag, Berlin 2011, 36 Seiten, 14,90 € (ISBN: 978-3-8442-1036-1)
Allerdings sollte man von Männern nicht zuviel erwarten.
Die große Liebe, die ein ganzes Menschenleben hält, ist äußerst selten.
Wer keine Kompromisse eingehen will, sollte lieber allein bleiben.