Liebesblicke in Tilt-Shift-Video-Optik (Bild: GetUp)
GetUp statt Occupy: Eine Kampagne für die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben in Australien setzt auf die Macht der Masse und der Videobilder.
Von Carsten Weidemann
Schon nach wenigen Sekunden springt einen das Gefühl an: "Wow, ist das ein toller Mann!" Ein Kerl irgendwo in den Zwanzigern, kurze blonde Haare, braun gebrannt, ein umwerfendes Lächeln, Bartstoppeln. Ein noch jungenhaftes Gesicht, in das sich aber bereits die ersten Falten gelegt haben, die Reife bescheinigen. Ein Typ, der sicherlich nicht nur bei vielen Männern Erfolg haben wird, sondern der garantiert auch als Schwiegersohn von den Müttern geliebt werden wird. Und genau um diese Schwiegersohn-Rolle geht es in dem Video, das die australische Organisation "GetUp! - Action for Australia" hat produzieren lassen. GetUp hat eine Kampagne gestartet, mit der die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben erreicht werden soll.
GetUp ist so ein bisschen das Pendant zur Occupy-Bewegung in den USA und Europa. Nur dass es hier nicht um die Entmachtung des Kapitals, sondern um die Stärkung der bürgerlichen Freiheiten geht. "Die politischen Parteien und Institutionen haben zu oft dabei versagt, die Menschen zu inspirieren oder überzeugende Möglichkeiten der Teilhabe anzubieten", formulieren die Organisatoren ihre Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment. Werte wie soziale Gerechtigkeit, kulturelle Vielfalt, ökologische Nachhaltigkeit und ökonomische Fairness seien in Down Under in den vergangenen zehn Jahren viel zu wenig beachtet worden. GetUp existiert seit fünf Jahren, zählt nach eigenen Angaben inzwischen rund 580.000 Mitglieder und hat sich mit diversen Fragen zu Menschenrechten, dem Umgang mit Flüchtlingen oder der Medienpolitik profiliert, mitunter sogar Veränderungen bewirken können. Die Gründer der neuen Bewegung sind Jeremy Heimans und David Madden, zwei junge Australier die bereits mit dem politischem Communityportal Avaaz.org Erfahrungen haben sammeln können, wie das neue Medien Internet Menschen mobilisieren kann.
Die Politfunktionäre enttäuschen, eine neue APO organisiert sich
GetUp möchte nicht nur das Klima und die Wälder retten, Asylsuchende menschenwürdig behandelt wissen oder die negativen Folgen des Glücksspiels eindämmen; Sie wollen auch, dass Schwule und Lesben ihre Partnerschaft als ganz normale Ehe eintragen lassen können, versehen mit dem kompletten Paket an Rechten und Pflichten. Um dieses Ziel zu erreichen, bedient man sich ganz professionell der Macht der Videobilder.
Der Clip zur Öffnung der Ehe ist bei Youtube abrufbar, Fernsehsender bekommen ihn sendefähig und kostenlos zur freien Verfügung gestellt. Im Video schlüpft der Betrachter in die Rolle des Freundes des oben gelobten jungen Mannes. Aus der Partnerperspektive sind wir mit ihm zusammen am Strand, im Auto, im Urlaub, auf einer Party. Er blickt uns verliebt an, ist aber auch mal völlig sauer. Wir werden den Eltern des jungen Mannes vorgestellt, die uns freundlich checken. Und dann - auf einer Familienfeier - passiert es plötzlich: Unser Adonis kniet vor uns, holt einen Ring aus der Jeans und hält um unsere Hand an. Wir sagen ja, die Familie umarmt uns, Happy End.
Mit Schmalz und Herz an die Vernunft der Politik appellieren
Kann man diesem Herzchen irgendetwas abschlagen? (Bild: GetUp)
Was immer man als Schwuler oder Lesbe von der Ehe als Institution halten mag oder wie skeptisch man der romantischen Liebe und ihren Ritualen gegenübersteht, Emotionen sind überzeugende Argumente. Auch für absolute Gegner von mehr Rechten für sexuelle Minderheiten, so hoffen die Macher. Damit aus dem cineastischen auch ein reales Happy-End werden kann, sind die User aufgefordert eine Online-Petition an die sozialdemokratische Premierminsterin Julia Gillard abzuschicken. Sowohl Regierung als auch Opposition hatten 2010 einen Gesetzentwurf der Grünen, der eine Streichung von Geschlechtszuordnungen im Eherecht vorsah, abgeblockt. Und das, so weist GetUp hin, obwohl sich eine Mehrheit der Bevölkerung in Umfragen für eine Öffnung ausgesprochen hatte (queer.de berichtete). Die Weigerung, gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe anzubieten, verfestige Vorurteile und Diskriminierung, so GetUp.
In Deutschland waren es Serien wie die "Lindenstraße", die mit Bildern und Emotionen die Vorurteile abgebaut haben. Mehr davon!