Protest gegen das Gesetz vor einigen Tagen in St. Petersburg (Bild: Juri Gawrikow)
Der Stadtrat von St. Petersburg hat am Mittwoch überraschend zum zweiten Mal in Folge die Verabschiedung eines Gesetzes verschoben, das "Werbung" für Homosexualität unter Strafe gestellt hätte. Der Gesetzentwurf soll nun nicht mehr vor den russischen Parlamentswahlen am 4. Dezember beraten werden. Auch der Stadtrat wird dabei neu gewählt.
"Das ist unser erster Sieg, aber der Kampf ist noch lange nicht vorbei", sagte Polina Sawschenko von der St. Petersburger LGBT-Gruppe "Coming Out" in einer ersten Reaktion. "Solange das Gesetz nicht endgültig aufgehoben ist, hängt es wie ein Damoklesschwert über uns. Es kann jederzeit wieder zurück auf den Tisch gebracht werden und wir müssen unsere Kampagnen fortführen gegen diesen eklatanten Versuch, die Gay-Community für immer zum Schweigen zu bringen."
An einer internationalen Online-Petition gegen das Gesetz hatten sich über 220.000 Menschen beteiligt, aber auch aus Russland wurden über 10.000 Stimmen gesammelt. Auch gab es mehrere Demonstrationen in russischen Städten. Damit hätten die Gesetzgeber offenbar nicht gerechnet, meint Sawschenko. Ein Lehrer, der an einer Demonstration gegen das Gesetz in St. Petersburg teilgenommen hatte und von der Polizei festgenommen worden war, hat danach übrigens "freiwillig" seinen Job gekündigt.
Der Initiator des Gesetzes, Vitali Milonow von der Regierungspartei "Einiges Russland", sagte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz, er habe nichts gegen eine Verschiebung der Abstimmung und sei sich sicher, dass die Duma in der nächsten Zusammensetzung für das Gesetz stimmen werde. Das geplante Gesetz beschneide nicht die Rechte und Freiheiten Homosexueller, das habe ihm auch das Verfassungsgericht bestätigt. Der Parlamentssprecher und lokale Vorsitzende der Partei, Vadim Tulips, zeigte sich amüsiert über die internationale Aufregung. Er sei sicher, dass 90 Prozent der Bevölkerung hinter dem Gesetz stünden.
Youtube | Das Gesetzesvorhaben war am 27. November der Inhalt einer erhitzten Debatte im russischen Staatsfernsehen
Zwischen Diplomatie und kaltem Krieg
Am Dienstag hatte noch die Hamburger Senatorin für Justiz und Gleichstellung, Jana Schiedek (SPD), in einem im Namen des Senats verfassten Brief die Partnerstadt aufgefordert, den Gesetzentwurf zu überdenken. Das geplante Gesetz "leistet der Diskriminierung von Menschen mit gleichgeschlechtlicher Lebensweise Vorschub und schürt Intoleranz und Ausgrenzung", kritisiert der im Ton freundlich gehaltene Brief.
Am Wochenende hatten bereits Großbritannien und die USA den Gesetzentwurf kritisiert (queer.de berichtete). Russland ließ das nicht auf sich sitzen, am Dienstag sagte Konstantin Dolgow, der Sprecher des Außenamts für Menschenrechte, eine solche Belehrung sei "unangebracht". "Wir sind verwundert über Amerikas Versuch, sich in die Gesetzgebung einzumischen, und das auch noch öffentlich", so Dolgow gegenüber Interfax. Das Gesetz solle nicht diskriminieren, sondern Jugendliche schützen. Auch seien Fragen von Gesundheit und öffentlicher Moral zu berücksichtigen.
Bei der Pressekonferenz am Mittwoch amüsierte sich auch Vadim Tulips über die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton, die "offenbar nichts Wichtigeres zu tun" habe. Das Parlament St. Petersburg sei nun weltbekannt, die Kritik trage dazu bei, dass man das Gesetz erst recht verabschiede.
Der Kampf geht in Straßburg weiter
Das Gesetz war vor zwei Wochen mit 37 gegen eine Stimme in erster Lesung verabschiedet worden, am letzten Mittwoch wurde dann die endgültige Verabschiedung zunächst auf diesen Mittwoch verschoben, weil sich die Abgeordneten nicht über Strafen und Definitionen einigen konnten (queer.de berichtete). So kritisieren mittlerweile Abgeordnete der Partei "Gerechtes Russland" das Gesetz als unspezifisch. Was passiere etwa, wenn ein TV-Sender über einen Schwulenclub berichte, so der stellvertretende Parlamentsvorsitzende Anton Beljakow in einem Interview. Bestrafe man dann den Sender oder den Club? Beljakow hatte sich in der Vergangenheit mit Vergleichen zwischen Schwulen und Pädophilen selbst grundlegend auf die Seite des Gesetzes gestellt.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf sieht vor, "öffentliche Aktivitäten" zu verbieten, die (im Beisein von Jugendlichen) "Sodomie, Lesbischsein, Bisexualität und Transgender-Identität" bewerben. Verstöße gegen das Verbot sollen mit Geldstrafen bis zu 3.000 Rubel (rd. 70 Euro) für Einzelpersonen und bis zu 50.000 Rubel (rd. 1.200 Euro) für Organisationen sowie Richter und Anwälte geahndet werden. In einem eigenen Strafttatbestand, aber mit gleichen Strafen wird auch Werbung für Pädophilie verboten.
Entsprechende Gesetze gibt es bereits in den Regionen Rjasan und Archangelsk. Auch deshalb setzen die Aktivisten von Gay Russia, die die CSDs in Moskau und St. Petersburg organisieren, nicht nur auf Online-Petitionen. Anfang der Woche haben Sie dazu aufgerufen, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte per Brief oder Fax aufzufordern, eine bereits erfolgte Verurteilung nach dem Gesetz in Rjasan, die dem Gericht seit zwei Jahren vorliegt, so schnell wie möglich zu behandeln (queer.de berichtete). Sollte das Gericht die Verurteilung für illegal erklären, hätte das Auswirkungen auf ganz Russland.
Die Aktivisten hatten auch zu Briefen an das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen aufgerufen, diesem liegt ebenfalls ein Fall aus Rjasan vor. Inzwischen hat ein UN-Mitarbeiter der Aktivistin Irina Fedotowa mitgeteilt, dass ihr Fall bei der nächsten Versammlung im Juli des nächsten Jahres behandelt werden wird. (nb)
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"Ein Lehrer, der an einer Demonstration gegen das Gesetz in St. Petersburg teilgenommen hatte und von der Polizei festgenommen worden war, hat danach übrigens "freiwillig" seinen Job gekündigt."
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