Auch Heten turnt das Kraut an
Die populärste illegale Droge in Deutschland ist Cannabis - sie wird von Schwulen auch gerne als Aphrodisiakum verwendet.
Von Dennis Klein
Jens und Peter sind seit zwei Jahren ein Paar. Die beiden 28-Jährigen aus einem Kölner Vorort besuchen gerne die Szene, um Gleichgesinnte zu finden: Doch während andere beim Konsum von Poppers oder Viagra feuchte Augen bekommen, wollen Jens und Peter sich mit ihren sexuellen Eroberungen zukiffen. "Kaum jemand weiß, wie toll Sex auf Gras ist", beschreibt Jens seinen Umgang mit der Hippie-Droge. Der schlaksige Jens erklärt, dass er damit Berührungen feinfühliger wahrnehmen können - und sich vor und während des Orgasmus ein buntes Spiel von Farben vor seinen Augen abspielen würde. Durch ein verändertes Zeitgefühl erscheine der Sex oft viel länger zu dauern, "aber ohne zu nerven", erklärt er mit großen Enthusiasmus. Außerdem gibt es keinen Cannabis-"Kater", so dass Jens seinen Job "in einem großen deutschen Bankhaus" problemlos erledigen kann.
Keine Hilfe "zwischen den Beinen"
Der Anbau von Cannabis ist in Deutschland verboten (Bild: thomaswanhoff / flickr / by-sa 2.0)
Die Droge ihrer Wahl wirkt dabei nicht wie ein gewöhnliches Aphrodisiakum - denn "zwischen den Beinen hilft es nicht viel", berichtet Peter. Vielmehr spiele sich "die Ekstase" im Kopf ab. Dabei liegt das Paar aus dem Rhein-Erft-Kreis in der Tradition großer Kulturen: Cannabis ist tatsächlich bereits seit tausenden Jahren im östlichen Kulturkreis als Mittel für Verliebte bekannt. In den "Geschichten aus tausendundeiner Nacht" wird etwa viel von der stimulierenden Wirkung von Cannabis in der Sexualität gesprochen. Auch in Indien galt Cannabis lange Zeit als Helfer beim Sex. So wird die heute verpönte Droge sowohl in der traditionellen ayurvedischen Medizin als auch in den Liebeslehren des Tantrismus aufgeführt.
Im Westen ist Cannabis jedoch seit fast einem Jahrhundert als Droge gebrandmarkt und wird polizeilich verfolgt. Zwar ist der Verfolgungsdruck in Deutschland vergleichsweise gering. Wer mit ein paar Gramm erwischt wird, der muss fast immer mit keinen strafrechtlichen Konsequenzen rechnen - außer er ist bekifft Auto oder Motorrad gefahren und hat damit andere Menschen gefährdet.
Das weltweite Totalverbot wurde bereits 1925 bei der dritten Opiumkonferenz beschlossen, die ironischerweise im niederländischen Den Haag stattfand. Das weltweite Verbot hatte nicht nur gesundheitliche Gründe, sondern auch wirtschaftliche. So bedrohte Cannabis etwa die Kunstfaserindustrie. Als Nutzpflanze war sie nämlich für Textilien genauso gut geeignet wie Polyester und Co. Das Deutsche Reich stimmte auf Druck anderer Länder zu, weil es sonst Importbeschränkungen für die Gewinnbringer des Leverkusener Arzneimittelherstellers Bayer fürchtete - für das damals beliebten "Medikament" Heroin.
Cannabis kann gefährlich sein
Natürlich gibt es trotz dieser eigenartigen Politik heute genügend gesundheitliche Argumente, Cannabis mit Vorsicht zu genießen: Rauchen ist schließlich per se ungesund, besonders wenn Gras - wie in Deutschland üblich - mit Tabak vermischt wird. Auch wenn Marihuana körperlich nicht abhängig macht, kann die Droge bei Menschen, die bereits an psychologischen Problemen leiden, noch verschärfend wirken. Beim Sex kommt eine weitere Gefahr hinzu: Wie Alkohol verführt Cannabis wegen einer Einschränkung der Urteilsfähigkeit zu riskanterem Verhalten - das kann beim Treffen mit Unbekannten gefährlich werden, Stichwort: HIV.
Konsumenten wie Jens und Peter nehmen diese Warnungen jedoch nicht ernst. Besonders Peter gerät in Rage, wenn er auf die "Gefahren" von Cannabis angesprochen wird: "Wenn Alkohol als Droge verboten wäre, würde ich die Prohibition bei Marihuana noch einsehen", erklärte er ungehalten. "Aber solange dieser Aggressionsmacher legal ist, solange genieße ich ohne schlechtes Gewissen mein Recht auf guten Sex mit der Droge meiner Wahl."