Ist der Kerkeling-Kommentar echt? Man weiß es nicht
Ein angeblicher Kommentar des Entertainers zu "Bild" und Christian Wulff sorgt im Internet für Wirbel, dabei bleibt seine Echtheit unbestätigt.
Von Norbert Blech
Die Diskussionen um Deutschlands Bundespräsidenten Christian Wulff wollen nicht verstummen, manches mutet gar wie eine Satire an. Darunter ein angeblicher Kommentar von Hape Kerkeling, der sich in sozialen Netzwerken wie wild verbreitet.
Der Text hat es in sich, er kritisiert die "Bild"-Zeitung ungewöhnlich hart. Der Zeitung gehe "es nur um so viel Auflage und Skandal wie eben möglich", heißt es da, und noch empörter: "Ausgerechnet die Bild mutiert nun zum obersten Moralhüter und zum reinen Gewissen der Nation!?!?" Der angebliche Wulff-Skandal sei mit "boulevardesken Enthüllungsjournalismus und unappetitliche[r] Schnüffelei in seinem Privatleben" viel mehr ein "Skandal unserer maroden und degenerierten Presse und Mediengesellschaft".
Kein Pardon mit "Bild"? Für einen Entertainer gewagt, aber schön wäre es. Der andere Teil des Kommentars unter dem Titel "Wulff oder Bild" ist allerdings eine überraschende Verteidigung des Bundespräsidenten. Was Wulff denn eigentlich verbrochen habe, will der vermeintliche Kerkeling wissen. "Zugegeben der Bundespräsident hat Fehler gemacht aber hat er sich strafbar gemacht oder unmenschlich gehandelt?" Wulff habe seine Fehler eingeräumt und sich entschuldigt. Und sei besser als viele andere Politiker, wie es in dem in schlechter Rechtschreibung verfassten Text weiter heißt: "Kohl hat einen Demonstranten vor der Weltoeffentlichkeit zusammengeschlagen, Schroeder hat sich im Fernsehen hackevoll und live um Kopf und Kanzlerschaft geredet, Kiesinger war in der NSDAP.TJA, das waren anscheinend noch Staatsmaenner!Wenn der Bundespraesident jetzt geht dann geht der demokratische Konsens!"
Der Kommentar endet mit "Herr Präsident, bleiben Sie im Amt und vor allem bleiben Sie Mensch!" Über diese Zeilen des vermeintlichen Entertainers war nicht jeder amused, die Reaktionen der Leser schwankten zwischen Zustimmung und Ablehnung. Zweifel an der Echtheit des Kommentars äußerten allerdings die wenigsten.
Keine offensichtliche Fälschung
Die angeblich private Facebook-Seite Kerkelings
Ist der Kommentar echt? Er ist weder offensichtlich gefälscht noch offensichtlich authentisch. Kerkelings Medienbüro ist im Urlaub und reagierte nicht auf eine Anfrage von queer.de vom Freitag, auch der Entertainer hat sich bislang nicht zu Wort gemeldet.
Der Kommentar wurde zuerst am Donnerstag um 13.28 Uhr auf der Facebook-Seite "hape.kerkeling" gepostet, sie ist nur für bestätigte Freunde des Verfassers und deren Freunde einsehbar. Der erste Eintrag des vermeintlichen Hapes stammt vom 14. Dezember letzten Jahres. Die gleichen Einträge finden sich auch auf der Seite "Hape und seine Freunde", wo der Kommentar wenig später verbreitet wurde. Diese Seite wurde bereits im März 2010 eingerichtet und enthält weitere Statements eines "Hape", beispielsweise zur Absage von "Wetten Dass" (dieses findet sich wortgleich auf einer offensichtlich offiziellen Horst-Schlämmer-Seite, dort nicht von "Hape" sondern von einem "bezwitscherten Horsti" unterzeichnet.)
Der Wulff-Kommentar begann rasch, sich bei Facebook zu verbreiten. Das Magazin "blu.fm" übernahm ihn kurz darauf 1:1 auf seiner Seite, nun begann eine virale Verbreitung via Twitter und Facebook. Das "Handelsblatt" machte am Freitag seine Leser bei Facebook darauf aufmerksam, dass man die Echtheit überprüfen wolle, ließ dann aber vermelden, dies habe zu keinem Ergebnis geführt. Spiegel Online tweetete den Link zu blu.fm, reagierte aber nicht auf eine Nachfrage, ob man den Urheber verifiziert habe.
Lediglich das Magazin "meedia" schrieb, der Kommentar sei echt; das hätten "verlässliche Quellen aus dem Umfeld des Entertainers" versichert. Anderen Medien schien das zu vage, kaum ein anderes seriöses Medium griff die Geschichte auf - was schon zu der Verschwörungstheorie eines Bloggers führte, die Aussagen seien wohl nicht genehm. Lediglich n-tv und die Münchner Abendzeitung hatten die Geschichte online vermeldet, umrandet von einigen Fragezeichen.
blu.fm, immer noch von der Echtheit des Kerkeling-Komentars überzeugt, hat inzwischen die Seite geändert - statt des Kommentars von Kerkeling liest man nun einen Kommentar des Herausgebers Olaf Alp, der Kerkelings Argumentation auseinandernimmt. "Wulff oder Bild? Das ist so ziemlich die gleiche Wahl wie zwischen Pest und Cholera." Kerkelings Verteidigung von Wulff sei "denkbar naiv".
Eine Frage von Naivität und Integrität
Vor vielen Jahren stand Kerkeling als Beatrix vor dem dem Schloss Bellevue, 2011 moderierte er dort das Sommerfest
Vielleicht wird es sich auch noch als denkbar naiv herausstellen, den Kommentar ohne Zweifel Kerkeling zugeordnet zu haben. Allerdings auch als produktiv: Wegen der schlechten Verlinkbarkeit der Facebook-Version des Kommentars wurde vor allem die blu-Seite bei Facebook und Twitter verlinkt, die Seite ist seitdem und auch am Sonntag noch wegen Überlastung kaum erreichbar und erzielte bisher über 3.500 Leserkommentare.
Letztlich spricht der Inhalt des Textes eher gegen eine Urheberschaft Kerkelings: Der Entertainer hat sich selten politisch geäußert und eine gewagte Polemik gegen die "Bild"-Zeitung wäre überraschend. Der Text ist zudem bemerkenswert humorlos und miserabel verfasst für jemanden, der einst die Show "Der große Deutsch-Test" moderierte und derzeit als "Sprachwahrer des Jahres" nominiert ist. Oder ist das der wahre Kerkeling in einem unbedachten Moment? Dann würde es wohl erst recht ein Dementi geben, zumal Kerkeling sonst selbst der Vorwurf der Kumpanei treffen würde: Im letzten Jahr hatte er noch das Sommerfest des Bundespräsidenten moderiert.
Der falsche oder echte Kerkeling hat am Freitag übrigens noch auf die einsetzende Diskussion reagiert: "herrlich, was ich mit meinem Kommentar ausgelöst habe.... aber ich bleibe dabei und nehme nichts davon zurück! ich lasse mir nicht den Mund verbieten."