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"Homosexuelle Panik"
Tunesien: Homo-Skandal um Innenminister
- 23. Januar 2012 3 Min.

Innenminister Ali Larayedh
Ein verschwommenes Video soll den tunesischen Innenminister beim Gefängnis-Sex mit einem Mann zeigen – für die Regierung ist das ein Denunziationsversuch des alten Regimes.
Ein Unbekannter hat den 45-minütigen Schwarzweiß-Film, der aus dem Jahr 1991 stammen soll, letzte Woche auf Youtube und anderen Videoplattformen hochgeladen. Inzwischen ist es aber wieder in den meisten Portalen gelöscht worden. Auf dem Video ist zu sehen, wie zwei Männer in einer Gefängniszelle miteinander Sex haben.
Einer der Männer soll Innenminister Ali Larayedh von der islamisch-konservativen Partei Ennahda sein, der Anfang der 90er Jahre als Gegner des Regimes von Präsident Ben Ali eingesperrt wurde. Wegen der schlechten Videoqualität ist unklar, ob es sich in der Aufnahme tatsächlich um Larayedh handelt. Die Regierung hat bereits erklärt, dass das Video nicht echt sei. Alle wichtigen Politiker im Land haben sich hinter Larayedh gestellt und die Vermutung geäußert, dass damit die Regierung von alten Kräften destabilisiert werden soll.
In Tunesien steht auf Homosexualität drei Jahre Haft. Dieses Gesetz wurde auch nach der Jasminrevolution nicht geändert. Anders als in Ländern wie Ägypten werden Schwule zwar kaum strafrechtlich verfolgt, es gibt aber vereinzelt Meldungen von Polizeigewalt gegen Schwule. Homosexualität gilt außerdem als Zeichen westlicher Dekadenz, wodurch ein offen schwules Leben im Land praktisch unmöglich ist. In Tunis ist vor allem die schwule Stricherszene sichtbar.
Homosexualität und Pädophilie oft gleichgesetzt

Screenshot aus dem Video
Laut einem Bericht auf "Gay Middle East" soll der linke Aktivist Jalel Brick, ein erklärter Gegner der Partei Ennahda, das Video hochgeladen haben. Er erklärte, er habe es von einem Mitarbeiter der Geheimpolizei erhalten. Der tunesische Aktivist Tarek beschreibt in dem Bericht, dass es im Land derzeit eine regelrechte "Homo-Panik" gebe, die im Kampf gegen die gemäßigten Islamisten eingesetzt werde. So hat kurz vor der Veröffentlichung des Videos der Fall des Bruders von Justizminister Noureddine Behiri für Aufsehen gesorgt. Dem Mann war die Vergewaltigung eines Jungen vorgeworfen worden: "Das hat eine Welle der Kritik ausgelöst. Ennahda wurde vorgeworfen, dass sie gemeinsame Sache mit Homosexuellen und Pädophilen macht. Diese beiden Worte werden oft gleichgesetzt", so Tarek.
Bereits unter Diktator Ben Ali war die "Porno-Politik", wie sie von Politikwissenschaftlern bezeichnet wurde, weit verbreitet: Das Regime denunzierte damit gerne Oppositionspolitiker mit angeblichen Sex-Affären. Da die Beamten in den Ministerien weiterhin mehrheitlich aus dem alten Regime stammen, gilt als sicher, dass sie das Video weitergegeben haben. Ein Motiv könne Rache gewesen sein: Erst vor wenigen Tagen hatte die neue Regierung mehrere Beamte des Innenministeriums wegen ihrer mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur angeklagt.
Viele Liberale in Tunesien befürchten, dass die Wahl der gemäßigten Islamisten der erste Schritt in einen Gottesstaat sein könnte. Die Ennahda-Partei hat aber versucht, diese Befürchtungen zu zerstreuen. So versicherte Parteichef Rachid al-Ghannouchi im Oktober letzten Jahres, dass seine Bewegung nicht anstrebe, Homosexualität und Atheismus zu bestrafen, den Erwerb und Genuss von Alkohol zu verbieten oder Frauen zu benachteiligen (queer.de berichtete). (dk)














