Dilek Kolat (SPD) ist seit dem Regierungswechsel neue Berliner Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen (Bild: SPD Berlin)
Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) verlangt "längst überfällige Wiedergutmachung" und stellt Expertise vor.
Von Carsten Weidemann
Der rot-schwarze Berliner Senat setzt sich für die Rehabilitierung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten verurteilten Homosexuellen ein. Dazu veröffentlicht die Landesantidiskriminierungsstelle der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen eine von ihr in Auftrag gegebene Expertise sowie eine Dokumentation. Es geht darin um Zeitzeugnisse, historische Bestandsaufnahmen und Analysen sowie verfassungsrechtliche Fragen zur Rehabilitierung und Entschädigung.
"Der von den Nationalsozialisten verschärfte § 175 Strafgesetzbuch wurde in der frühen Bundesrepublik weiter angewendet. Schon eine erotisch gefärbte Annäherung konnte zu einem Strafverfahren führen, erklärte Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD): "Der Paragraf 175 bedrohte schwule Männer im Kern ihrer Persönlichkeit, der sexuellen Identität. Er zerstörte Existenzen und trieb nicht wenige in den Suizid. Es ist ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte, dass die Betroffenen bis heute nicht rehabilitiert wurden."
Opfer des $ 175 gab es in beiden deutschen Staaten
Die 120-seitige Broschüre steht zum kostenlosen Download bereit
In den 1950er und 1960er Jahren wurden in der Bundesrepublik Deutschland ca. 50.000 schwule Männer nach dem § 175 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilt. Sie mussten Gefängnis- und Zuchthausstrafen verbüßen, nicht selten wurde ihre bürgerliche Existenz zerstört. Razzien und Denunziationen waren an der Tagesordnung. Die DDR kehrte 1950 zur Fassung des § 175 aus der Weimarer Republik zurück. Seit Ende der 1950er Jahre wurde Homosexualität unter Erwachsenen im Osten Deutschlands jedoch nicht mehr geahndet.
Um das Unrecht des Paragrafen 175, "das fundamentale Menschenrechte verletzte", wieder gut zu machen, habe der Berliner Senat die Initiative ergriffen, so Kolat. "Mit dieser Broschüre möchte ich zur öffentlichen Thematisierung der Leidensgeschichte schwuler Männer in beiden deutschen Staaten beitragen, Informationen und sachliche Argumente für die längst überfällige Wiedergutmachung liefern", erklärte die Senatorin. Politische Schritte zur Rehabilitierung sollen "zügig folgen".
Die 120-seitige Broschüre "§ 175 StGB. Rehabilitierung der nach 1945 verurteilten homosexuellen Männer" und die Expertise "Strafrechtliche Verfolgung homosexueller Handlungen in Deutschland nach 1945" von Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Mengel steht auf der Homepage des Senats zum kostenlosen Download zur Verfügung.