Erstmals befasst sich der Ethikrat mit dem Thema Intersexualität
Der Deutsche Ethikrat empfiehlt, dass Intersexuelle sich künftig im Meldeamt nicht mehr als männlich oder weiblich einordnen müssen. Dazu soll die Geschlechts-Kategorie "anderes" eingeführt werden.
Im am Donnerstag in Berlin vorgestellten Bericht äußert der aus 26 Mitgliedern bestehende Ethikrat, dass intersexuelle Menschen als Teil gesellschaftlicher Vielfalt Respekt und Unterstützung der Gesellschaft erfahren sollten. Zudem müssten die "Menschen mit Besonderheiten der geschlechtlichen Entwicklung" vor medizinischen Fehlentwicklungen und Diskriminierung in der Gesellschaft geschützt werden. Hier wird auch ein Hilfsfonds vorgeschlagen, der Intersexuelle für ungewollte geschlechtsanpassende Operationen in der Vergangenheit entschädigt.
Der Rat beklagt, dass Ärzte bei Neugeborenen mit nicht klarer Geschlechtszuordnung - etwa wenn beide Geschlechtsorgane ausgebildet sind - noch heute per Operation eine teils willkürliche Entscheidung über das Geschlecht des Kindes treffen. Wie viele Menschen intersexuell sind, ist unter Forschern umstritten. Die häufigste Form ist das Adrenogenitale Syndrom (AGS), das in einer von 10.000 Geburten vorkommt. Hier haben die Träger zwar einen weiblichen oder männlichen Chromosomensatz, bilden aber wegen einer vererbten Stoffwechselerkrankung Merkmale des anderen Geschlechts aus. Ärzte führen oft kurz nach der Entbindung Operationen durch, die das Baby einem eindeutigen Geschlecht zuordnen. Im späteren Leben sind viele von ihnen auf psychologische Betreuung angewiesen.
"Wir müssen akzeptieren, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt"
Grüne und Linke fordern bereits seit Jahren eine einschneidende Reform der Gesetze: "Wir müssen akzeptieren, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Mit der Stellungnahme des Ethikrats wird endlich der Fokus auf die Menschenrechte von intersexuellen Menschen gerichtet, die in der Vergangenheit so schwer verletzt wurden", erklärte Barbara Höll, die queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion. "Die bisherige Praxis der frühkindlichen Operationen nimmt intersexuellen Menschen das Recht, später über ihre Sexualität und ihre Geschlechtlichkeit selbst zu bestimmen. Wenn es mehr als zwei Geschlechter gibt, so muss der Gesetzgeber handeln und den Rechten von intersexuellen Menschen zur Achtung und Anerkennung verhelfen."
Der 2001 eingeführte Ethikrat ist ein unabhängiger Sachverständigenrat, der die neuesten Forschungen und Entwicklungen beobachtet und empfiehlt, wie diese im deutschen Recht beurteilt werden sollen. Ihm gehören 26 vom Bundespräsidenten ernannte Mitglieder an, neben Wissenschaftlern auch Politiker und Vertreter der beiden großen Kirchen. (dk)