Hannelore Kraft will Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes bleiben (Bild: xtranews.de / flickr / by 2.0)
In Nordrhein-Westfalen will Hannelore Kraft nach der Auflösung des Parlaments die Wahl Anfang Mai gewinnen - war ihre Regierung gut für Lesben und Schwule?
Von Dennis Klein
"Wir scheuen die Auseinandersetzungen nicht, denn wir haben dieses Land 20 Monate gut regiert", erklärte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Donnerstagmorgen trotzig in der ARD. Tatsächlich hat die rot-grüne Minderheitsregierung seit 2009 mehr bewegt, als ihr zunächst zugetraut wurde - von der Schulreform, die mit Zustimmung der CDU beschlossen wurde, bis zur Abschaffung der Studiengebühren mit Hilfe der Stimmen aus der Linkspartei.
Auch im Bereich der Homo-Rechte hat die Kraft-Löhrmann-Regierung einige alte Zöpfe abgeschnitten - so hat die Regierung binnen eines Jahres die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Eheleuten im Landesrecht beschlossen (queer.de berichtete). Das hatte zuvor die CDU/FDP-Regierung unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers jahrelang blockiert. Bei der Abstimmung im Mai 2011 stimmte die CDU dann auch als einzige Partei gegen die Gleichbehandlung - eine Entscheidung, die Schwule und Lesben bei ihrer Wahlentscheidung berücksichtigen sollten.
Rot-Grün gab sich in dieser Frage auch um einiges fairer als gleichfarbige Regierungen in anderen Bundesländern, indem Homo-Paare rückwirkend zum 3. Dezember 2003 gleichgestellt wurden. Das Datum ist entscheidend, weil an diesem Tag die Gleichbehandlungsrichtlinie der Europäischen Union in Kraft trat, die Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Ausrichtung verbietet. Das grün-rote Baden-Württemberg hat im Gegensatz dazu Schwule und Lesben nur ab 2009 gleichgestellt (queer.de berichtete). Das führte dazu, dass sich verpartnerte Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ihre Zuschläge zwischen 2003 und 2008 einklagen müssen - notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, der bereits in einem Grundsatzurteil für gleichgeschlechtliche Paare entschieden hat (queer.de berichtete). NRW erspart Schwulen und Lesben den Gang zum Gericht.
Kompassnadel für Regierungschefin
Bundesumweltminister Norbert Röttgen ist der Spitzenkandidat der NRW-CDU (Bild: Wiki Commons / Vorderstrasse / CC-BY-3.0)
Ministerpräsidentin Kraft wurde wegen ihrer homofreundlichen Politik 2011 während des Kölner CSDs mit dem schwulen Ehrenpreis "Kompassnadel" ausgezeichnet (queer.de berichtete). In der Laudatio lobte der Berliner Journalist Jan Feddersen, dass Homopolitik in ihrer Regierung "kein Gedöns" mehr sei, sondern ein zentraler Punkt der Politik, der als Querschnittsaufgabe für alle Ressorts angesehen werde.
Resultat dieses Ansatzes ist der Aktionsplan gegen Homophobie, mit dem Rot-Grün systematisch gegen schwulen- und lesbenfeindliche Einstellungen und Verhaltensweisen vorgehen will (queer.de berichtete). Hier hat sich das Emanzipationsministerium bereits mit den Homo-Gruppen beraten. Allerdings ist der Zeitplan in Verzug: Ursprünglich hätte bereits Ende 2011 Ergebnisse vorliegen müssen, so dass der Aktionsplan dieses Jahr in Kraft treten kann. Es hakt allerdings vor allem am Geld: Da der nordrhein-westfälische Haushalt tief in die roten Zahlen gerutscht ist, kann das Emanzipationsministerium nicht aus den Vollen schöpfen.
Homo-Gruppen wegen Neuwahl auf dem Trockenen
Rot-Grün könnte nach einem Wahlsieg im Mai bis 2017 regieren (Bild: gruenenrw / flickr / by-sa 2.0)
Homo-Gruppen aus NRW haben die Pläne für den Aktionsplan begrüßt, haben aber zunächst andere Sorgen: "Für uns ist erst einmal wichtig, dass nach den Neuwahlen ein neuer Haushalt verabschiedet wird, weil viele Projekte sonst nicht umsetzbar sind", erklärte Markus Johannes vom Schwulen Netzwerk NRW gegenüber queer.de. Grund: Viele Homo-Gruppen erhalten normalerweise Landeszuschüsse im Frühling; da nun aber das Budget am Mittwoch am Widerstand von CDU, FDP und Linkspartei gescheitert ist, verzögert sich die Auszahlung solange, bis ein Haushalt verabschiedet worden ist. Geförderte schwul-lesbische Projekte müssen in dieser Zeit auf Sparflamme betrieben werden. Johannes hofft, dass er nach der Wahl mit einer stabilen Regierung fünf Jahre lang zusammenarbeiten kann.
Derzeit sieht es so aus, als ob Rot-Grün eine absolute Mehrheit erzielen kann. Nach einer ARD-Blitzumfrage erreichten die Regierungsparteien 52 Prozent der Stimmen. Die SPD käme auf 38 Prozent, die Grünen auf 14 Prozent. Die CDU steht bei lediglich 34 Prozent. FDP und die Linkspartei würden mit zwei bzw. vier Prozent aus dem Landesparlament gekegelt. Dafür könnte die Piratenpartei mit exakt fünf Prozent auf einen erstmaligen Einzug in den Düsseldorfer Landtag hoffen. Die Parteien haben allerdings noch knapp acht Wochen Zeit, um an diesen Zahlen zu drehen.