Die LGBT-Bewegung Russlands hat nicht viel zu lachen und zunehmend nicht viel zu sagen
Weitere Regionen planen ein Verbot der "Werbung" für Homosexualität. Derweil sorgen geplante Konzerte von Madonna in Moskau und St. Petersburg für Aufregung.
Von Norbert Blech
Der Kulturkampf um Homosexualität in Russland geht in die nächsten Runden: Während am Samstag in St. Petersburg trotz internationaler Proteste ein Gesetz in Kraft tritt, das "Werbung" für Homosexualität verbietet (queer.de berichtete), planen bereits weitere Regionen entsprechende Gesetze.
Samara, eine Industriestadt im Süden des europäischen Teils Russlands, will eine entsprechende Verordnung im April ins Stadtparlament einbringen, die Leningrad-Region rund um St. Petersburg überlegt einen ähnlichen Schritt. In Kraft sind solche Gesetze bereits in Rjasan, Archangelsk und Kostroma. In der letztgenannten Region wurde das Ende letzten Jahres beschlossene Gesetz bereits dazu genutzt, mehrere beantragte Demonstrationen von Schwulen und Lesben zu verbieten.
Die größte Gefahr geht derzeit aber von den Vertretern Nowosibirsks in der russischen Duma aus, die ein bundesweites Verbot durchsetzen wollen. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow ist für das "Werbeverbot": Dem Radiosender Kommersant FM sagte er am Mittwoch, man müsse sehen, dass der überwältigende Teil der Bevölkerung Homosexuellen ablehnend gegenüberstehe und gläubig sei. Die russisch-orthodoxe Kirche hatte in den letzten Tagen erneut lautstark für ein Verbot getrommelt.
Boykott gefordert
Der Kampf geht indessen weiter: In der letzten Woche schrieben Aktivisten aus St. Petersburg an die Regierungen der Vereinigten Staaten, von Kanada, Australien und einigen EU-Ländern, darunter Deutschland. Sie fordern, den für das Verbot von "Homo-Propaganda" federführenden Politiker sowie den Gouverneur mit einem Einreisestopp zu belegen.
Zugleich forderte der russische Journalist Masha Gessen in einem Beitrag für die "New York Times" Unternehmen wie Mercedes und Pepsi auf, das Internationale Wirtschaftsforum in St. Petersburg im Juni zu boykottieren. Auch solle Madonna ihr Konzert im August absagen.
Aufregung über Madonna
Madonna versucht sich wieder als Schwulenmuttchen. Nicht jedem passt das
Zu einem Boykott konnte sich der Popstar allerdings nicht durchringen. Der Nachrichtenagentur Reuters schrieb Madonna per eMail, sie sehe sich als "Freiheitskämpfer": "Ich werde nach St. Petersburg fahren und mich für die Gay Community aussprechen und Stärke und Inspiration jedem geben, der unterdrückt ist oder sich so fühlt." Sie wolle während ihrer Show auf das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" eingehen.
Bei Nikolai Aleksejew, dem Moskauer CSD-Organisator, der nach dem Eurovision Song Contest 2009 nicht mehr auf die Unterstützung durch Musiker glaubt, stießen die Worte auf Abscheu: "Wir brauchen keine Madonna, die in Russland Millionen macht, wir brauchen eine Madonna, die ihre Millionen im Kampf gegen Homophobie opfert", schrieb er auf Facebook.
Wenn die Sängerin ihre geplanten Konzerte in Moskau und St. Petersburg nicht absage, werde er mit seinen Leuten gegen die Konzerte demonstrieren. "Auch wenn wir festgenommen werden", so Aleksejew hitzköpfig. Zugleich ist nun spontan für beide Konzerttage im August jeweils ein CSD geplant, als vierter "Slavic Pride". Es brächte nichts, wenn Madonna das Thema auf der Bühne anspreche, so Aleksejew. "Dann geht Madonna wieder und nichts ändert sich". Nur einen Boykott würden die Verantworlichen spüren. Mit der Heuchelei von Popstars wie auch Elton John und George Michael, die Millionen mit Konzerten vor Homophoben machten, müsse Schluss sein. Von anderen LGBT-Aktivisten Russlands liegt noch keine Reaktion vor. Es ist durchaus möglich, dass diese sich freuen, sollte Madonna das Thema bei einem Konzert vor Ort ansprechen.
Streit um "Pride House"
Aleksejew ist derzeit ohnehin auf Kriegspfad - auch gegenüber so ungefähr allen anderen Homo-Aktivisten Russlands; wer braucht schon eine Beethovenhalle, wenn es auch Facebook und Blogs gibt. Nach dem "Propaganda"-Verbot in St. Petersburg warf er etwa den Aktivisten aus der Stadt vor, ihre "Kollaboration" mit Behörden habe nichts gebracht - dabei haben etwa Kultur- und Coming-out-Gruppen andere Zielsetzungen. Auch sollte der Westen den Gruppen kein Geld mehr geben. Anderen Aktivisten, bisweilen in der Tat übervorsichtig, sind Aleksejews "PR-Auftritte" hingegen ebenso ein Gräuel wie der mangelnde Wille zur Zusammenarbeit.
So halten sich andere Homo-Organisationen derzeit auch aus dem Streit von GayRussia mit den Behörden um die Einrichtung eines "Pride House" zu den Olympischen Winterspielen in Russland halbwegs heraus. Aleksejew hatte einen entsprechenden LGBT-Treffpunkt, wie es ihn bei den Winterspielen in Vancouver gab und in diesem Sommer in London geben wird, für Sotschi beantragt und nicht genehmigt bekommen, was mittlerweile von einem Gericht in erster Instanz bestätigt wurde.
Auf eine Anfrage von "Gay Star News" hatte das Internationale Olympische Komitee dazu mitteilen lassen: "Die olympische Charta erlaubt keine Diskriminierung von Teilnehmern. Das IOC ist eine offene Organisation und Athleten jeder Orientierung sind bei den Spielen willkommen". Das ausweichende Statement wiederum macht nicht nur Aleksejew wütend.