Aleksejew Kiselew bei seiner Verhaftung (Bild: GayRussia)
In St. Petersburg sind am Donnerstag zwei schwule Aktivisten erstmals wegen des neuen Gesetzes gegen Homo-Propaganda festgenommen worden. Aleksejew Kiselew und Kirill Nepomniachtschi, die zur GayRussia-Gruppe um Nikolai Aleksejew gehören, hatten vor dem "Palast der Jugendkunst" mit Schildern gegen das neue Gesetz demonstriert. Eines der "umstrittenen" Schilder: "Homosexualität ist normal".
Nach wenigen Minuten wurden sie von der Polizei festgenommen und über Nacht festgehalten, am Freitag wurden sie einem Richter vorgeführt. Ihnen drohten wegen des neuen Gesetzes und "Widerstands gegen Polizeibeamte" empfindliche Geldstrafen. Der Richter ließ die Aktivisten jedoch frei und verschob die Verhandlung, weil die Polizei unter anderem versäumt hatte, Beweismittel wie die von den Aktivisten benutzten Schilder vorzulegen.
Aktivisten von GayRussia hatten zuvor schon in anderen Regionen Russlands mit bewussten Protestaktionen gegen entsprechende Regelungen verstoßen; sie wurden zumeist verhaftet und festgenommen. Die Aktivisten hoffen, durch eine Vorlage der Fälle beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Gesetze in Russland kippen zu können. Ende Februar hatte es selbst in Russland eine Überraschung gegeben: Eine Richterin urteilte, dass ein entsprechender Protest in Kostroma nicht gegen das Gesetz verstoßen hatte (queer.de berichtete).
Youtube | Ein Medienbericht über Protest und Festnahme
Gesetz schränkt Demonstrationsrecht ein
Wenige Tage nach Inkrafttreten des "Homo-Propaganda"-Verbots in St. Petersburg wird das Gesetz nun auch verwendet, um Demonstrationen zu verbieten. Die LGBT-Gruppe "Coming out" hatte für den 7. April eine Kundgebung zum "Internationalen Tag des Schweigens" beantragt - mit dem hauptsächlich in Amerika begangenen Tag wird durch Stille auf das durch Mobbing erzwungene Schweigen von jungen Schwulen und Lesben aufmerksam gemacht.
In der Ablehnung durch die Stadt heißt es, laut Gesetz sei "jede öffentliche Veranstaltung verboten, die Propaganda zu Sodomie, Lesbiertum, Bisexualität, Trangsgendersein und Pädophilie mit dem Ziel versucht, eine verdrehte Sicht der Gleichheit von traditionellen und nicht-traditionellen Ehebeziehungen zu formen". Die Aktivisten von "Coming out" kündigten an, trotz des Verbotes demonstrieren zu wollen.
"Jetzt, wo das homophobe Gesetz über uns hängt wie ein Damoklesschwert, ist es umso wichtiger für uns, unsere Ablehnung des Gesetzes und unsere Wut öffentlich zu zeigen", so Mikael Belodedow. "Wir widmen diesen Protest den Hunderttausenden Schwulen und Lesben, die durch das Gesetz zum Stillschweigen gezwungen sind." Das Verbot der Demonstration zeige, dass es eben nicht um Jugendschutz geht, wie von den Befürwortern des Gesetzes argumentiert, sondern darum, Schwulen und Lesben die einfachsten Menschenrechte zu verweigern.
Woche gegen Homophobie
"Homophobie ist illegal", sagte eine Aktionswoche russischer LGBT (Bild: Coming Out)
Das Gesetz in St. Petersburg war Ende März in Kraft getreten, es sieht Geldstrafen bei öffentlicher "Werbung" für Homosexualität vor (wenn Jugendliche diese mitbekommen). Einzelpersonen können eine Geldstrafe bis zu rund 130 Euro erhalten, Beamte 1.300 Euro und Organisationen empfindliche 13.000 Euro.
In Rjasan und Archangelsk sind ähnliche Regelungen schon seit einigen Jahren in Kraft, in Kostroma wurde das Gesetz zum Jahreswechsel verabschiedet. Ende März wurde ein landesweites Gesetz in das russische Parlament eingebracht (queer.de berichtete).
In ganz Russland begehen LGBT-Aktivisten in dieser Woche die Aufklärungskampagne "Woche gegen Homophobie", in diesem Jahr unter dem Titel "Homophobie ist gesetzwidrig". So gab es etwa in Nowosibirsk Aktionen gegen "Homo-Propaganda"-Gesetze. In der kleinen Haupstadt Syktywkar der Region Komi warfen Nationalisten Eier auf 15 Schwule und Lesben, die Luftballos in Regenbogenfarben in die Luft ließen. Mit Eiern wurden diese Woche auch Aleksejew und seine Mitstreiter beworfen, als sie zu einem - später verlegten - Gerichtstermin in St. Petersburg erschienen; sie hatten den Verantwortlichen des Propaganda-Gesetzes wegen seiner diskriminierenden Äußerungen verklagt.
Die "Woche gegen Homophobie" wird auch aus dem Ausland unterstützt, in Deutschland etwa von der deutsch-russischen Gruppe Quarteera und vom Lesben- und Schwulenverband. Der Hamburger LSVD ist derzeit mit einigen Mitgliedern in St. Petersburg vor Ort und berichtet über die Woche in einem kleinen Blog. (nb)