Am 6. November haben die Amerikaner die Wahl zwischen Barack Obama und Mitt Romney
Nach dem Rückzug des Polit-Pharisäers Rick Santorum heißt das Duell im US-Präsidentschaftswahlkampf nun Mitt Romney gegen Barack Obama. Wer ist unser Mann?
Von Dennis Klein
Die republikanische Freakshow namens Vorwahlkampf ist erst mal vorbei: Mit dem Ausstieg Santorums steht Multimillionär Mitt Romney als Kandidat praktisch fest. Im krisengeschüttelten Amerika wird insbesondere die Wirtschaftslage über den Sieg in sieben Monaten entscheiden. Hier setzt sich Romney, der bei Einkünften von 40 Millionen Dollar nicht mal 15 Prozent Einkommensteuer zahlt, für niedrigere Steuern und weniger staatliche Leistungen aus.
Aber wie sehen seine Homo-Positionen aus? Wie so oft bei Romney ist es gar nicht so leicht, diese zu fassen. Im Vorwahlkampf haben seine innerparteilichen, bibelschwingenden Gegner ihn gerne als "Homo Lover" verunglimpft und auf seine Zeit als Gouverneur von Massachusetts verwiesen. Im liberalen Neu-England-Staat war er relativ unideologisch und führte sogar eine Krankenversicherungspflicht für alle ein - heute kritisiert er dagegen wie die meisten Republikaner dasselbe Gesetz auf Bundesebene, das Obama durchgesetzt hatte.
Romney bei Homo-Themen ein Chamäleon
Als Gouverneur von Massachusetts grüßte Romney noch die CSD-Teilnehmer
Beim Thema Homo-Rechte gab er sich zwar offen und warb auch in der Community. Heute erinnern sich Log Cabin Republicans, die Schwulen und Lesben in der Partei, noch immer mit tränenden Augen daran, dass er bei einer Wahl Mitte der 1990er Jahre ihre Unterstützung gesucht hatte und ihnen in einem Brief versichert habe, dass er "die Gleichstellung von Schwulen und Lesben zum Mainstream-Thema" machen werde. Allerdings sprechen seine Taten als Gouverneur von Massachusetts ein knappes Jahrzehnt später eine andere Sprache: Als ein Regional-Gericht 2003 anordnete, dass aus Gründen der Gleichbehandlung die Ehe für Schwule und Lesben in Massachusetts geöffnet werden muss, versuchte er unter anderem, die Eheschließungen mit einem längst vergessenen Gesetz einzuschränken, das einst gegen interrassische Hochzeiten eingeführt worden war.
Auch seine Rolle in seiner Kirche sollte Schwule und Lesben aufhorchen lassen, obgleich das bislang noch kein Thema im Wahlkampf ist: So ist Romney in der skurrilen Mormonenkirche nicht nur aktives Mitglied, sondern war auch als Bischof fünf Jahre lang in einer Führungsposition - immerhin in einer Organisation, die Homosexualität direkt auf Satan zurückführt und die Millionen von Dollar in den Kampf gegen die Homo-Ehe gesteckt hat.
Disappointment statt Hope
Präsident Barack Obama bei einem Auftritt für die Homo-Gruppe Human Rights Campaign
Obama ist Umfragen unter Schwulen und Lesben zufolge nach wie vor erste Wahl: Sie würden ihm zu drei Vierteln die Stimme geben, Romney könnte mit 25 Prozent rechnen. Allerdings ist der Stern Obamas im Vergleich zu seinem begeisternden Wahlkampf vor vier Jahren bereits gesunken. Statt "Hope" liest man häufiger das Wort "Disappointment" im Zusammenhang mit dem Präsidenten. Er hat insbesondere seine treuen Anhänger enttäuscht: So ist das Internierungslager Guantanamo entgegen Wahlkampfversprechen noch immer nicht geschlossen, milliardenschwere Steuererleichterungen für Reiche hat er auf Druck der Republikaner beibehalten und die Gesundheitsreform wird als bürokratisches Flickwerk wahrgenommen, das zum Unverständnis vieler Demokraten die Einführung von gesetzlichen Krankenkassen nicht vorsieht.
Für Schwule und Lesben hat Obama dagegen einige wichtige Verbesserungen durchgesetzt, die zuvor vom Republikaner Bush kategorisch ausgeschlossen worden waren: So wurde 2009 das Matthew-Shepard-Gesetz beschlossen, das Schwule und Lesben stärker vor Hassverbrechen schützen soll. Ferner setzte er die Abschaffung der unsäglichen "Don't ask, don't tell"-Regelung durch, mit der Homosexuelle im Militär gezwungen wurden, ihre sexuelle Orientierung gegenüber ihren Kameraden geheim zu halten - oder gefeuert zu werden. Auch auf internationaler Ebene setzt sich die Obama-Regierung für Homo-Rechte ein - so etwa bei den Vereinten Nationen, wo sich Obama bei einer Rede persönlich "für die Rechte von Schwulen und Lesben in der ganzen Welt" einsetzte. Sauer aufgestoßen ist Homo-Aktivisten dagegen, dass Obama nach wie vor betont, dass er die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau sieht - offenbar nimmt er diese Position ein, um Unentschiedene nicht zu verprellen.
Während seiner Präsidentschaft nahm Obama oft konservativere Positionen ein als die führenden Kongress-Demokraten - die überparteiliche Zusammenarbeit wegen. Allerdings hatten die Republikaner fast ausnahmslos kein Interesse an der ausgestreckten Hand: Die Tea-Party-Bewegung setzt auf Fundamentalopposition, zudem haben viele Abgeordnete, insbesondere aus den Südstaaten, nach wie vor Probleme mit der Hautfarbe des Präsidenten.
Umfragen zufolge liefern sich Romney und Obama ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem mal der eine, mal der andere die Nase vorne hat. Die Wahl entscheiden dürfte vor allem die Wirtschaftslage - geht es bergauf, ist Obamas Wiederwahl so gut wie sicher, geht es bergab, gewinnt Romney. Zudem dürfte es eine Wahl-Materialschlacht geben wie noch nie in der Geschichte, weil der Oberste Gerichtshof 2010 die Wahlkampffinanzierung liberalisiert hat: Obama und Romney dürften je eine Milliarde(!) Dollar für die Wahl Anfang November zur Verfügung stehen. Bis sich die launischen US-Wähler entschieden haben, wird also noch viel Wasser den Potomac River herunterfließen.