Chen und Gao vor der Verhandlung mit Ehezertifikat und Hochzeitsalbum (Bild: Martin Aldrovandi)
In Taiwan klagt ein schwules Paar gegen die Stadtverwaltung der Hauptstadt Taipeh, die ihre Ehe nicht anerkennen will. Das Argument: Im Gesetz steht nicht ausdrücklich, dass die Ehe verschiedengeschlechtlichen Paar vorenthalten ist. Was politisch bisher nicht klappte, könnte so möglicherweise über die Gerichte zustande kommen. Dann wäre Taiwan das erste asiatische Land, in dem Schwule und Lesben heiraten dürfen.
Eine Reportage von Martin Aldrovandi
Der Saal sieben im Taipeher Verwaltungsgericht ist am Dienstag bis auf den letzten Platz besetzt. Zwei Polizisten tragen eine zusätzliche Sitzreihe hinein, damit niemand stehen muss. Eltern, Bekannte und einige Vertreter von Bürgerrechtsgruppen sind gekommen zur zweiten Anhörung von Nelson Chen und Gao Jhih-wei.
Ihre Eheschließung ist bereits jetzt eine Odyssee: Chen und Gao haben in einer symbolischen Zeremonie vor Familienangehörigen und Freunden bereits vor sechs Jahren geheiratet. Auch Chens damals 102-jährige Großmutter war anwesend. Die Hochzeit wurde offiziell in Chens Familienstammbaum vermerkt. Im vergangenen Jahr wollten Chen und Gao ihre Ehe offiziell bei der zuständigen Behörde für Haushaltsregistrierung anmelden. Diese nahm den Antrag zwar entgegen, wies ihn aber einen Monat später zurück.
Das Paar wollte nicht aufgeben: "Wir haben schon zu viel durchgemacht, als dass wir das nicht auch noch durchstehen können", erklärte Chen. Für seine Eltern sei es am Anfang besonders schwer gewesen, so der 40-Jährige. Der Vater, der ihn nach seinem Coming-out erst verprügelt hatte, stehe aber inzwischen voll hinter ihnen und unterstütze auch die Klage gegen die Stadt Taipeh.
Eherecht: Kein Wort über Mann und Frau
Die beiden Ehemänner posieren mit ihren Müttern vor dem Verwaltungsgericht (Bild: Martin Aldrovandi)
Über Facebook hat das Paar zwei Anwälte gefunden, die sich des Falles annahmen. Was die Ehe betreffe, so die Juristen, sei im taiwanischen Zivilrecht nur von zwei Menschen die Rede, die Begriffe Mann und Frau kämen dabei nicht vor. Außerdem hätten Chen und Gao in einer Zeremonie geheiratet, was zu dieser Zeit ausreichte: Denn bis 2009 musste in Taiwan eine Ehe nicht bei den Behörden angemeldet werden.
Zurück im Gerichtssaal: Während die Anwälte der Kläger ihre Punkte auflisten, erscheinen auf dem schwarzen Monitor vor den Zuschauern grüne chinesische Zeichen - die Gerichtsschreiberin tippt eifrig mit. Als die Vertreterinnen der Stadt das Wort haben, bewegt sich dagegen kaum etwas auf dem Monitor, so dünn sind ihre Argumente. Als der Richter sie auffordert, zu den Punkten Stellung zu nehmen, verweist sie auf eine Weisung des Justizministeriums, nach der nur ein Mann und eine Frau eine Ehe eingehen könnten.
Auf der politischen Ebene hat es in Taiwan zwar schon Vorschläge für die Öffnung der Ehe gegeben; die Demokratische Fortschrittspartei, die bis 2008 den Präsidenten stellte, hatte vor rund zehn Jahren bereits einen Gesetzesentwurf verfasst. Auch die Kandidatin der Opposition versprach vor den letzten Präsidentenwahlen, sich für ein Partnerschaftsgesetz stark zu machen. Der im Januar wiedergewählte Präsident Ma Ying-jeou hat sich dazu jedoch bis dato nicht geäußert.
Richter wünscht dem Paar Glück
Das Paar geht optimistisch aus der Anhörung (Bild: Martin Aldrovandi)
Nach nicht mal einer Stunde ist die Anhörung vorbei. Chen Jing-hsueh steht auf, bedankt sich bei seinen Anwälten, seiner Mutter und Schwiegermutter. Der Richter merkt noch an, dass er sich nur auf die Gesetzeslage stützen könne, er wünsche den beiden persönlich aber eine glückliche Beziehung.
Anwalt Jerry Huang gibt sich optimistisch. Es sei besser gelaufen, als er erwartet habe, schließlich habe das Gericht die Klage auch einfach abweisen können. Bis es aber zu einem ersten Urteil kommt, würden wahrscheinlich noch einige Monate bis ein halbes Jahr vergehen.
Huang hofft mit dem Fall zusätzliche Aufmerksamkeit für die Homo-Ehe zu gewinnen, und eine gesellschaftliche Diskussion anzuregen. Taiwan gilt in Asien zwar als ein sehr homofreundliches Land, dennoch haben Schwule und Lesben mit Vorurteilen zu kämpfen. Sein Anwalt fügt an, dass es ihm nicht nur um seine beiden Mandanten gehe, sondern um die Bürgerrechte von allen homosexuellen Taiwanern. Das Verwaltungsgericht setzt die nächste Anhörung auf Anfang Mai an. Bis dann hat die Stadt Taipeh Zeit, auf die Argumente des Paares einzugehen.