BZgA-Direktorin Elisabeth Pott (Bild: BZgA)
Als die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Ende März die "mach's mit"-Präventionskampagne startete und auch ein Video an die schwule Zielgruppe ins Netz stellte, war die Aufregung in Blogs groß. Es werde wieder "das Klischee des schwulen Mannes als Tunte" bedient, zitiert Blogger Markus Chmielorz Beschwerden aus der Szene. Als "grottenschlecht" bezeichnete Steven Milverton das Video. Die Berliner "Siegessäule" bemängelte, dass alle Schwulen als "Bully-Herbig-Kollektiv" dargestellt würden. Tatsächlich sagte "Sven" in dem knappen Kurzfilm wild gestikulierend einige arg abgedroschene Sätze ("Beim Kostümfest waren alle Jungs verkleidet als Cowboy oder Indianerhäuptlinge, und ich, mittendrin, als Rotkäppchen"). Nach dem "Shitstorm" wurde das Video kürzlich von der BZgA-Kampagnenseite entfernt.
Im Gespräch mit queer.de-Redakteur Dennis Klein erklärt BZgA-Direktorin Elisabeth Pott, dass sie von der heftigen Reaktion überrascht sei und die Kampagne jetzt angepasst werde. Sie reagiert auch auf einen vor einer Woche verfassten offenen Brief von LSVD-Bundesvorstand Axel Blumenthal, der nicht nur "Authentizität" im Video vermisst, sondern der BZgA indirekt vorwirft, im Gebiet der Deutschen Aidshilfe (DAH) zu wildern. Blumenthal warnt auch vor Kürzungen bei der DAH, die offenbar "parallel zum Relaunch der 'mach's mit'-Kampagne" anstünden.
queer.de: An wen richtet sich die "Mach's mit"-Kampagne?
Elisabeth Pott: Die neue "mach's mit"-Kampagne zeigt unterschiedliche Charaktere in ihrer individuellen und sexuellen Vielfalt: stark, selbstbewusst, mit Lebenslust und Selbstironie, Junge und Alte, Männer und Frauen, hetero-, homo- und bisexuelle Menschen, Menschen mit und Menschen ohne Migrationshintergrund. Klischees werden gezeigt und diese aufgebrochen. Es geht der Kampagne darum, zu zeigen, dass (sexuelle) "Normalität" Buntheit und Vielfalt bedeutet: jeder Mensch ist anders. Dass dabei auch als eine von vielen möglichen Facetten schwuler Identität im Rahmen einer Kampagne für die Allgemeinbevölkerung gezeigt wird, erschien uns unter dem Aspekt der Inklusion wichtig.
Das Video mit dem schwulen Sven wurde von Bloggern als klischeetriefend verrissen (Bild: BZgA)
Finden sie die Kritik an der Kampagne gerechtfertigt?
Dass in Teilen der schwulen Community ein so großer Diskussionsbedarf dazu besteht, in welcher Form schwule Identität durch eine Bundesbehörde gezeigt wird oder nicht, hat uns - ehrlich gesagt - überrascht. Wir waren der Auffassung, dass die Mehrheit der Gesellschaft das augenzwinkernde Aufgreifen und Brechen von Klischees auch in Bezug auf schwule Identität versteht und richtig zu interpretieren weiß. Den Ansatz halten wir auch nach wie vor für richtig. Nach der jetzigen Reaktion gibt es aber offensichtlich eine größere Zahl von Menschen, die wir mit unseren Botschaften dann erreichen, wenn wir auch zielgruppenspezifisch unterschiedliche Charaktere einbeziehen. Das werden wir in der Weiterentwicklung berücksichtigen.
Wie erklären sie sich die negativen Reaktionen?
Im Wesentlichen wurden die negativen Reaktionen dadurch ausgelöst, dass in Teilen der schwulen Community der Eindruck enstand, der Clip "Ich will's andersum" stehe stellvertretend für schwules Leben in Deutschland überhaupt. Das war von uns so nicht intendiert - wir haben ihn vielmehr als eine selbstbewusste Facette von Vielfalt innerhalb der gesamten Gesellschaft beabsichtigt. Auf die Auslegung, der Clip stehe stellvertretend für schwules Leben, folgte die Einschätzung, dass der Clip die schwule Community dadurch nicht angemessen repräsentiere.
Warum wurde das Video von Ihrer Website entfernt?
Wir haben die Reaktionen auf den Clip "Ich will's andersrum" selbstkritisch wahr- und ernst genommen. Der Ansatz, über die Kampagnencharaktere selbstbewusst mit Klischees umzugehen und diese zu brechen, hat in diesem Fall offensichtlich, zumindest Teile der Zielgruppe, nicht überzeugt. Der Onlineclip wurde deshalb zunächst zurückgezogen. Wir beobachten jedoch weiterhin den Diskurs, den der Clip ausgelöst hat, und beteiligen uns an ihm. Daraus ziehen wir Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung der Kampagne.
Bei der Vorstellung der "mach´s mit"-Kampagne Ende März war auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) dabei (Bild: BZgA)
Wie geht es weiter mit der Kampagne?
Die Kampagnen der BZgA unterliegen einer kontinuierlichen Überprüfung und Weiterentwicklung. So wird auch diese Kampagne in den nächsten Monaten um weitere Charaktere und Aussagen ergänzt. Es ist geplant, auch unterschiedliche schwule Charaktere nebeneinanderzustellen, um das Prinzip der Vielfalt, das wir bislang auf die Gesellschaft insgesamt bezogen haben, zielgruppenspezifisch schlüssig darzustellen.
Welche Veränderungen in ihrer Arbeitsweise streben sie nach der Kritik an?
Wir arbeiten schon seit Jahren eng mit der DAH zusammen. Die Erfolge in der HIV/Aids-Prävention in Deutschland sind vor allem auf das international einzigartige Modell dieser Zusammenarbeit zwischen Staat (BZgA) und NGO (DAH) zurückzuführen. Die zielgruppenspezifischen Angebote der DAH und die Angebote der BZgA an die Gesamtbevölkerung ergänzen sich - sie unterscheiden sich jedoch auch bewusst in der Form ihrer Ansprache, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Dabei haben sowohl DAH als auch BZgA im Blick, dass die BZgA mit ihren Angeboten teilweise Männer, die Sex mit Männern haben, erreicht, die durch die DAH nicht erreicht werden - und dass die DAH sehr große Teile der MSM, insbesondere Männer mit schwuler Identität, in Deutschland erreicht, die von der BZgA nicht erreicht werden. Entgegen Vermutungen in der erfolgten kritischen Diskussion waren im Übrigen an der Entwicklung der Kampagne innerhalb und außerhalb der BZgA Menschen aller sexueller Präferenzen beteiligt, d.h. auch schwule Mitarbeiter.
Der LSVD hat in einem offenen Brief an Sie beklagt, dass angeblich "parallel zu dem Relaunch der 'mach's mit'-Kampagne die Zuwendungen an die DAH seitens der BZgA gekürzt wurden". Besteht hier ein Zusammenhang?
Die Zuwendungen der BZgA an die DAH hatten im Jahr 2011 einen Umfang von 5,1 Mio. Euro, der gleiche Betrag wird auch für das Jahr 2012 bereitgestellt. Die Zuwendung an die DAH ist, ich betone, nicht gekürzt worden. Die Kürzungen im Bundeshaushalt 2012 für die HIV/STI-Prävention werden von der BZgA selbst getragen. Das zeigt deutlich unsere große Wertschätzung der Arbeit der DAH auch durch die entsprechende Prioritätensetzung der BZgA.
Warum wird die Vielfalt der schwulen Lebensweisen dann so einseitig dargestellt anstatt mit Vorurteilen aufzuräumen?
Das es solche Klischees gibt ist schon klar, die werden aber zu genüge in den Medien präsentiert...und das im Überfluss, denn die Mehrheit der Schwulen wird dadurch nicht angesprochen.
Wann begreifen die Heteros endlich das die Schwulen so vielfältig sind wie Heteros auch und sich nicht in ein bestimmtes Schema pressen lassen wollen?