Michael Kauch, Jahrgang 1967, rückte 2003 für Jürgen Möllemann in den Deutschen Bundestag nach, dem er seither ununterbrochen angehört. Seit 2009 ist er verpartnert (Bild: FDP-Bundestagsfraktion)
Im Interview erklärt der schwule FDP-Abgeordnete Michael Kauch, warum er sich bei der Abstimmung über die Ehe-Öffnung enthalten und die große Mehrheit seiner Fraktion dagegen gestimmt hat.
Von Micha Schulze
Herr Kauch, trauen Sie sich nach der Abstimmung vom Donnerstag eigentlich noch, kommende Woche beim Kölner CSD vorbeizuschauen?
Natürlich. Die FDP hat eine Menge erreicht für die Lesben und Schwulen in diesem Land. Bei der Gleichstellung der Lebenspartnerschaften haben wir der CDU/CSU weit mehr abgerungen als die SPD in den Jahren davor. Wir haben die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchgesetzt. Und in der Außenpolitik sind schwul-lesbische Menschenrechte endlich ein ernsthaftes Thema.
Für viele ist es schwer nachzuvollziehen: In ihrem Grundsatzprogramm fordert die FDP die Ehe-Öffnung, im Bundestag stimmen jedoch die meisten liberalen Abgeordneten dagegen...
Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass ich persönlich dafür gestimmt habe, dass die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur vollen Gleichstellung vorlegt. Der Gesetzentwurf der Grünen zur Ehe-Öffnung ist in seiner Ausgestaltung juristisch zweifelhaft. Daher habe ich mich dort enthalten.
Auch ihre drei Kollegen Sebastian Körber, Jürgen Koppelin und Jan Mücke haben sich bei der Abstimmung zur Ehe-Öffnung enthalten. Warum nicht die gesamte Fraktion? Eine einfache Mehrheit hätte zur Ehe-Öffnung gereicht.
Weil die FDP einen Koalitionsvertrag unterschrieben hat und man sich an Verträge halten muss. In jeder Koalition auf Bundes- und Landesebene ist es so, dass wechselnde Mehrheiten ausgeschlossen werden. Man muss sich mit dem Koalitionspartner einigen. Das dient der Stabilität von Regierungen - was gerade in den unruhigen Zeiten, in denen wir in Europa leben, kein zu vernachlässigender Wert ist. So war es übrigens auch unter Rot-Grün: Die Grünen haben 2005 das Adoptionsrecht für Schwule und Lesben im Bundestag abgelehnt, weil die SPD dagegen war.
In der Bundestagsdebatte am Donnerstag warf Kauch den Grünen vor, einen "schlampigen" Gesetzentwurf eingebracht zu haben
In der Bundestagsdebatte warfen Sie den Grünen einen Formfehler vor. Ist die Öffnung der Ehe wirklich an dem vorgeschlagenen, aber durch die lange Beratungszeit abgelaufenen Datum des Inkrafttretens zum 1. Januar 2012 gescheitert?
Nein, natürlich nicht. Aber das zeigt, dass die Grünen ihren eigenen Gesetzentwurf nicht ernst genommen haben. Hätten wir das eins zu eins beschlossen, wären die neu geschlossenen Lebenspartnerschaften des Jahres 2012 ungültig geworden. Entscheidender waren letztlich jedoch die verfassungsrechtlichen Fragen.
Was genau meinen Sie mit der "verfassungsrechtlichen Prüfung", die Sie in der Debatte verlangt haben?
Die FDP ist für die Öffnung der Ehe. Aber unter Juristen ist umstritten, ob man das einfachgesetzlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) machen kann oder ob man eine Änderung des Grundgesetzes braucht. Das müssen die Verfassungsressorts der Bundesregierung prüfen.
SPD, Grüne und Linke halten eine solche Prüfung für unnötig. Nach Auffassung der Opposition ist die Öffnung der Ehe mit dem Grundgesetz vereinbar...
Behaupten kann man viel. Aber als Gesetzgeber müssen wir darauf achten, möglichst wenig Risiken beim Bundesverfassungsgericht einzugehen. Deshalb hat ja auch der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag, im Rechtsausschuss dem eigenen Gesetzentwurf nicht zugestimmt.
Die Oppositionsparteien fordern mehr Mut. Der Bundestag sei der Gesetzgeber, nicht Karlsruhe. Sollte man es nicht einfach darauf ankommen lassen?
Der Bundestag steht nicht über der Verfassung. Das hat das Parlament in den letzten zehn Jahren öfters erfahren als es gut ist. Dem Vertrauen in die Politik dient es nicht, wenn man Niederlagen vor dem Verfassungsgericht erleidet.
Michael Kauch fordert "Mehr Netto für alle" - Eingetragene Lebenspartner vertröstet er allerdings auf das nächste Jahr (Bild: FDP-Bundestagsfraktion)
Warum haben Sie dann die verfassungsrechtliche Prüfung nicht längst selbst vornehmen lassen? Die Forderung nach Ehe-Öffnung gibt es ja nicht erst seit gestern...
Die FDP hat die Ehe-Öffnung ja erst vor zwei Monaten auf ihrem Bundesparteitag beschlossen. Bisher wollten wir ja "nur" die volle Gleichstellung der Lebenspartnerschaften. Daher sind wir ja gerade dabei, diese schwierige juristische Frage zu klären.
In der Koalition lässt die FDP nur selten eine Chance aus, sich gegenüber der Union zu profilieren. Warum hat Ihre Partei ausgerechnet in der Frage der Gleichstellung von Lesben und Schwulen klein beigegeben?
Wir haben nicht klein beigegeben. Wir haben in dieser Wahlperiode so viel an Diskriminierung weggeräumt wie seit 2005 nicht mehr.
In der Bundestagsdebatte ist aber mehr als klar geworden, dass eine Öffnung der Ehe mit CDU/CSU nicht zu machen ist. Wie wollen Sie Ihren Koalitionspartner überzeugen?
Die Öffnung der Ehe ist für uns ein Projekt für die nächste Wahlperiode. In der Koalition mit der Union geht es im nächsten Jahr um die Gleichstellung bei der Einkommensteuer. Die Familienpolitiker der Union sind dafür. Der Widerstand kommt vor allem vom Finanzminister. Da wollen wir ansetzen.
Wäre nach den nächsten Bundestagswahlen eine Ampel-Koalition die bessere Alternative?
Schwulen- und lesbenpolitisch habe wir große Übereinstimmungen mit SPD und Grünen. In anderen Politikfeldern ist es schwieriger. Gerade die Grünen müssen aus den Schützengräben herauskommen, wenn es um die FDP geht. Denn bei den aktuellen Umfragen würden wir eine große Koalition bekommen. In der letzten großen Koalition hatten wir vier verlorene Jahre für Lesben und Schwule.
Zuletzt noch ein Blick in die Glaskugel: Wann glauben Sie wird in Deutschland die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet?
Ich glaube, dass es in absehbarer Zeit möglich ist. Wahrscheinlich klappt es aber schneller mit der Gleichstellung der Lebenspartnerschaften. Die Union führt Rückzugsgefechte.