Stuttgarts diesjähriger CSD-Schirmherr musste aus Berlin importiert werden: Harald Christ
Der schwule Berliner Unternehmer und ehemalige Schatten-Wirtschaftsminister der SPD ist der lang gesuchte Schirmherr des CSD Stuttgart
Von Carsten Weidemann
Die Suche nach dem diesjährigen Schirmherrn für den Stuttgarter CSD war langwierig, mühsam, zum Teil turbulent und streckenweise peinlich - doch am Ende steht nun ein hervorragendes Ergebnis: Der Berliner Unternehmer Harald Christ ist der diesjährige Promi-Unterstützer für Süddeutschlands größtes schwul-lesbisches Festival. Christ wurde am Freitagabend beim CSD-Empfang im Stuttgarter Rathaus offiziell als Schirmherr vorgestellt und sprach dort sein erstes Grußwort.
Passend zum CSD-Motto "Gleichbeschäftigung" hatten sich die Organisatoren in diesem Jahr gezielt einen Unternehmer als Schirmherrn gewünscht. "Das diesjährige Leitthema des Stuttgarter CSD knüpft an eine Schlüsselfrage unserer Zeit an: die gleichberechtigte Behandlung aller Menschen im Berufsleben", erläuterte Harald Christ den Grund für seine Zusage. In seinem Grußwort führte er aus: "Diese gesellschaftspolitische Botschaft liegt mir in vielfältiger Weise am Herzen. Ich freue mich, beim Initiieren eines größtmöglichen Dialogs rund um die 'Gleichbeschäftigung' helfen zu dürfen."
"Gleichbeschäftigung ist ein moralischer Imperativ"
Harald Christ forderte Schwule und Lesben in diesem Zusammenhang zum Coming-out im Berufsleben auf: "Zur eigenen Identität stehen zu dürfen - auch und gerade am Arbeitsplatz - ist ein menschliches Grundbedürfnis", sagte er im Stuttgarter Rathaus. "Für heterosexuelle Menschen gehört es zum Alltag, mit Kollegen über ihre Partnerinnen und Partner zu sprechen. Genauso selbstverständlich muss es sein, wenn Lesben und Schwule dies tun. Die Offenheit dafür wächst - es gilt, sie weiter zu fördern und auch einzufordern."
"Gleichbeschäftigung" sei aber auch ein "zentrales Thema" für Arbeitsgeber, sagte Christ: "Mitarbeiter, die am Arbeitsplatz nicht zu ihrer sexuellen Orientierung stehen können, finden sich oft in einem kräftezehrenden Versteckspiel wieder. Die Identifikation mit dem eigenen Team, der Abteilung, dem Unternehmen leidet; Motivation und Einsatzbereitschaft sinken." Im Bereich der Führungskräfte seien die wirtschaftlichen Konsequenzen noch drastischer: "Wenn sexuelle Orientierung beim beruflichen Fortkommen eine größere Rolle spielt als Leistung und Kreativität, lassen Unternehmen viel Potential brach liegen. Gleichbeschäftigung ist ein moralischer Imperativ - sie macht aber auch wirtschaftlich Sinn!"
In seinem Grußwort im Stuttgarter Rathaus mahnte Christ, trotz des Wirtschafts-Mottos die politischen Themen nicht zu vergessen: "Die anderen großen Ziele unserer Bewegung gelten selbstverständlich weiter, zum Beispiel die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paaren bei der Eheschließung und bei der gemeinsamen Adoption von Kindern". Der Unternehmer forderte die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auf, "unser Land in dieser Hinsicht endlich auf den Stand der Zeit bringen".
Mitglied des SPD-Schattenkabinetts von Frank-Walter Steinmeier
Unternehmer, Politiker und Autor: 2011 veröffentlichte Christ das Sacbuch "Deutschlands ungenutzte Ressourcen"
Der 40-jährige Arbeitersohn Christ begann seine Karriere bei BHW und der Deutschen Bank, bevor er als selbständiger Finanzinvestor Erfolge feierte. Seine Beteiligungsgesellschaft Christ Capital versucht, kriselnden Firmen wieder auf die Beine zu helfen. Obgleich seine Karriere eher an den Aufstieg nach FDP-Manier erinnert, ist er bereits seit seinem 16. Lebensjahr Mitglied der Sozialdemokraten. Im Bundestagswahlkampf 2009 war Harald Christ Schatten-Wirtschaftsminister des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Aktuell fungiert er als Schatzmeister des SPD-Landesverbandes Berlin und berät Politik sowie Wirtschaft. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er sein Buch "Deutschlands ungenutzte Ressourcen - Aufstieg, Bildung und Chancen für alle".
Die mühsame Suche des Stuttgarters CSDs nach einem Unternehmer-Schirmherrn aus der Region begann im September 2011. Nachdem es jedoch nur Absagen hagelte, veröffentlichten die Organisatoren in ihrer Verzweiflung eine öffentliche Stellenausschreibung, die jedoch zunächst ebenfalls ergebnislos blieb. Auf Nachfragen der Lokalpresse kamen stattdessen Vorurteile in Wirtschaftskreisen ans Licht: So kritisierte etwa der Hauptgeschäftsführer der regionalen Industrie- und Handelskammer die Stuttgarter CSD-Parade als zu "bunt" und die Teilnehmer pauschal als zu wenig bis "kaum bekleidet", weshalb Unternehmen damit nichts anfangen könnten.
Der CSD Stuttgart 2012 findet vom 20. bis 29. Juli statt. Sowohl bei der Eröffnungsgala am 20. Juli im Friedrichsbau-Varieté als auch bei der politischen Abschlusskundgebung nach der CSD-Demo am 28. Juli will sich Schirmherr Harald Christ mit Reden an die Besucher wenden.