Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in den letzten Jahren mehr für eine Gleichstellung getan als mehrere unterschiedliche Bundesregierungen (Bild: RoBi/PD)
Am 17. Juli 2002 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass auch eine völlige Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe nicht gegen die Verfassung verstößt.
Von Norbert Blech
Es gibt juristische Siege, die groß ausfallen und doch enttäuschen, weil sie kein Gehör finden. Vor genau 10 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur entschieden, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz in der damaligen mickrigen Form verfassungsgemäß war. Es lehnte sich sogar aus dem Fenster heraus und verkündete, dass auch eine völlige Gleichstellung nicht gegen das Grundgesetz verstoßen würde.
Zu einem vermeintlichen Abstandsgebot zur Ehe, das die klagenden Länder Bayern, Sachsen und Thüringen, aber auch die meisten Politiker von Union und FDP damals in Artikel 6 des Grundgesetzes sehen wollten, schrieb die 5:3-Mehrheit der Richter: "Aus der Zulässigkeit, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich kein Gebot herleiten, diese gegenüber der Ehe zu benachteiligen."
Mit diesem deutlichen Hinweis hätte rechtlicher und politischer Frieden herrschen können, herrschen sollen. Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, der als ehemaliger Präsident des Karlsruher Gerichts eine abweichende Meinung publizierte (die sich vor allem auf eine recht bequeme Argumentation der Richtermehrheit bezog), hat etwa die Konsequenzen des Urteils akzeptiert und spricht sich inzwischen öffentlich für eine völlige Gleichstellung aus (queer.de berichtete).
Ignoranz auf Seiten der CDU/CSU
"Karlsruhe gibt Jawort" - Die Entscheidung von damals in einem Szene-Magazin
Völlig desinteressiert an dem Urteil und an den vielen weiteren, die Gerichte in den Folgejahren zu weiteren Aspekten der Lebenspartnerschaft fällten, zeigten sich allerdings die Politiker der Union. Noch heute behaupten CDU- und CSU-Politiker, ihre abweichende Haltung zur Gleichstellung der Homo-Ehe ergebe sich aus dem Grundgesetz. Und sie kommen in den Medien damit unhinterfragt durch.
Die Ignoranz deutete sich schon wenige Minuten nach der Urteilsverkündigung an. Da verkündete der damalige Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) trotzig, das Ergänzungsgesetz zur Lebenspartnerschaft, das eine Gleichstellung etwa im Steuerrecht gebracht hätte, weiterhin im Bundesrat zu blockieren, um "den Verfassungsauftrag für einen besonderen Schutz von Ehe und Familie mit Nachdruck (zu) verwirklichen".
Wenige Minuten zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt: "Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen." Wenige Monate später war das Ergänzungsgesetz zur Lebenspartnerschaft am Widerstand der Union gescheitert.
Langsame Mühlen
Als das Bundesverfassungsgericht am 17. Juli 2002 die Lebenspartnerschaft abnickte, waren bereits über 4.500 schwule und lesbische Paare den Bunds fürs Leben eingegangen. Das Gesetz war am 1. August 2001 in Kraft getreten, nachdem sich das Gericht bereits in einem Eilverfahren über Vor- und Nachteile eines Inkrafttretens vor dem Haupturteil nicht auf die Seiten der Unionsländer schlagen wollte.
Für diese Paare folgte eine Zeit, die man als beschämend bezeichnen muss: Viele klagten sich für weitere Rechte durch die Instanzen und stießen meist auf Richter, die ihnen diese nicht zugestehen wollten - oft mit Verweis auf Artikel 6 des Grundgesetzes. Nach langen und teuren Verfahren gab es auch in den höchsten Instanzen nicht immer Erfolg, so lehnte der Bundesfinanzhof erst kürzlich das Ehegattensplitting ab, das Bundesverfassungsgericht einen Familienzuschlag für verpartnerte Beamte.
Das müsse der Gesetzgeber einführen, urteilte das höchste deutsche Gericht damals. Doch der lässt sich Zeit und setzt nur um, was Karlsruhe zwingend fordert. Das wird immerhin mehr und mehr: Begünstigt durch inzwischen verabschiedete EU-Richtlinien und die Erkenntnis, dass der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes auch Homosexuelle umfasst, entschied es etwa, dass Lebenspartnern eine Hinterbliebenenrente und eine Gleichbehandlung bei der Erbschaftssteuer zustehe.
In nächster Zeit wird Karlsruhe über das Ehegattensplitting und ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für verpartnerte Paare urteilen - über die vielleicht letzten wichtigen Punkte der fehlenden Gleichstellung.
Kein Ende der Diskussion in Sicht
Erst vor drei Wochen sagte der CSU-Abgeordnete Thomas Silberhorn im Bundestag, die Väter des Grundgesetzes hätten die Ehe als Verbindung von Mann und Frau vorgesehen, die die "Keimzelle der Familie" sei und "Förderung durch den Staat und die Rechtsordnung" brauche
Derweil lässt sich schon die nächste Schlacht in Karlsruhe erahnen, sollte eine Mehrheit im Bundestag eines fernen Tages die Ehe per Gesetz für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. Bisher hatte das Bundesverfassungsgericht immer wieder geurteilt, dass die Ehe "nur mit einem Partner des jeweils anderen Geschlechts geschlossen werden (kann), da ihr als Wesensmerkmal die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner innewohnt" (zitiert aus dem Homo-Ehen-Urteil von vor zehn Jahren). Ob das Gericht seine eigene Rechtsprechung, die nicht auf dem Text des Grundgesetzes basiert, revidieren würde, darüber streiten sich Politiker schon heute. Im großen und ganzen nach Parteifärbung, so wie damals vor zehn Jahren.
Auch damals hatte man Angst vor Karlsruhe. Es ist gut möglich, dass das Gericht eine Ehe-Öffnung bestätigen und begrüßen würde, mit Verweis auf eine gewandelte Einstellung in der Bevölkerung. An jenem historischen 17. Juli 2002 hatte Emnid herausgefunden, dass 55 Prozent der Deutschen eine Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe befürworten. Mittlerweile sprechen sich über 60 Prozent für eine Ehe-Öffnung aus.
Dem läßt sich nichts hinzufügen, denn der Artikel beschreibt sehr treffend und sehr gut, was vor 10 Jahren geschah und wie die rechtliche und politische Entwicklung der letzten zehn Jahre verlaufen ist.
Da läßt sich nur noch hinzufügen; hoffentlich dauert das echt nich mehr so lange das Karlsruhe über das Ehegattensplitting und ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für verpartnerte Paare urteilt, denn immerhin sind zehn Jahre vergangen und immer noch besteht dort kein endgültiges Urteil zu diesen beiden Themen.
Es ist schon sehr befremdlich, das sich die Gerichtsverfahren zur Einkommenssteuer und zum Adoptionsrecht über zehn Jahre hinziehen. Normalerweise bezeichne ich dies als ein Kennzeichen für ein Entwicklungsland, wenn Verfahren über viele Jahre bei den Gerichten liegenbleiben.