Hat das perfekte Coming-out verpasst: Umweltminister Peter Altmaier (Bild: Wiki Commons / Magnus Manske / CC-BY-SA-2.0 und Wiki Commons / Lettres / CC-BY-SA-3.0. Montage: queer.de)
Was wäre eigentlich passiert, hätte sich CDU-Umwelminister Peter Altmaier in der Bild am Sonntag "richtig" geoutet? Unser Schlusswort zur Debatte.
Von Micha Schulze
Nehmen wir mal an, Umweltminister Peter Altmaier hätte letzte Woche den Reportern der "Bild am Sonntag", als er so schön mit einer Pfanne Bratkartoffeln am heimischen Herd posierte, auf die Frage "Warum findet man in den Archiven nichts von einer Partnerin?" geantwortet: "Ich habe leider den richtigen Mann noch nicht gefunden." Es wäre das perfekt inszenierte Coming-out gewesen für einen CDU-Politiker, in einer sympathischen Home-Story übers Kochen, Futtern und Genießen in Deutschlands wichtigstem Boulevardblatt.
Altmaiers Karriere hätte ein Coming-out nicht geschadet
Was wäre anschließend passiert? Deutschlands Medien hätten Altmaier unisono und überschwänglich für seinen "Mut" gelobt, selbst wir auf queer.de hätten dem ersten offen homosexuellen Bundesminister der Union vermutlich unseren "Homo-Orden" verliehen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wäre zufrieden, hätte sie doch einen überzeugenden Wahlkämpfer gewonnen, um die CDU 2013 als moderne und tolerante Großstadtpartei zu präsentieren.
Vielleicht hätte Altmaier ein paar böse Briefe von verbohrten Homohassern bekommen, doch niemand hätte deswegen seinen Rücktritt gefordert. Seiner weiteren Karriere wäre nicht im Geringsten geschadet gewesen, im Gegenteil: Der Umweltminister hätte sich öffentlich gestärkt und persönlich von einer Last befreit um Klimaschutz und Energiewende kümmern können. Das ist deutsche Realität im Jahr 2012, und das ist gut so.
Doch stattdessen outet sich Peter Altmaier in der "Bild am Sonntag" nicht nur als Single, sondern auch als vermeintlicher Hetero. Gleich zweimal nimmt er in dem Interview das Wort "verheiratet" in den Mund – ein Familienstand, der Schwule und Lesben hierzulande ausschließt. Wir dürfen uns bekanntlich nur "verpartnern" – und das dies so ist, daran hat Altmaiers Partei einen entscheidenden Anteil. Diese Unaufrichtigkeit des schwulen Umweltministers war persönlich unnötig wie politisch falsch und hat die verquere Outing-Debatte erst ausgelöst.
Es geht um die Glaubwürdigkeit eines Spitzenpolitikers
In der "Bild am Sonntag" hat sich Altmaier nicht nur als Single, sondern auch als Bratkartoffel-Fan geoutet (Bild: Seph Swain / flickr / by 2.0 und CDU/CSU-Bundestagsfraktion/Christian Doppelgatz. Montage: queer.de)
Es geht überhaupt nicht darum, Altmaier zu "bestrafen" für seine beiden "Neins" bei den namentlichen Abstimmungen zu Ehe-Öffnung und Gleichstellung eingetragener Partnerschaften Ende Juni im Bundestag. Es geht darum, die Widersprüche eines Politikers aufzuzeigen – zwischen seinem persönlichem Leben und seiner öffentlichen Inszenierung auf der einen und seinem politischen Handeln auf der anderen Seite.
Noch ein Wort zur namentlichen Abstimmung: Auch wenn sie nicht wirklich überzeugend sind, es gibt zumindest diskussionswürdige Gründe, warum sich ein Abgeordneter bei dem cleveren und gut getimten "Schaufensterantrag" der Grünen auf Ehe-Öffnung enthalten oder diesem die Stimme versagt hat. Michael Kauch und drei FDP-Kollegen vermissten eine "verfassungsrechtliche Prüfung", fünf Politikern der Linken war die Entprivilegierung der Zweierkiste wichtiger als die Gleichstellung. Der CDU-Parlamentarier Matthias Zimmer enthielt sich, weil er zumindest die Zielrichtung des Grünen-Antrags teilt, wie er im Interview mit queer.de erklärte.
Altmaier hingegen schwieg. Als homosexueller Abgeordneter – ja selbst als Politiker, der sich auf Twitter rühmt, "viel für Schwule getan" zu haben – für eine weitere Diskriminierung zu stimmen, ist einfach nur schizophren und trotz Fraktionszwang eine schwer nachvollziehbare "Gewissensentscheidung". Um weiterhin als glaubhafter Bündnispartner für gleiche Rechte akzeptabel zu sein, hätte sich der CDU-Umweltminister zumindest erklären müssen.
Der sonst so gewiefte Politiker Peter Altmaier hat damit in den letzten Wochen leider gleich mehrere Chancen verpasst, ja sogar verpatzt. Ich bin mir sogar sicher: Hätte er sich in der "Bild am Sonntag" als schwuler Single geoutet, wären dem Minister jede Menge Angebote respektabler Männer, die sich gern mit Bratkartoffeln bekochen lassen, ins Haus geflattert…
Er ist wahrscheinlich asexuell und hat es so geäussert. Was ist daran verkehrt?!