Auch schwuler und lesbischer Sex werden besprochen und gezeigt (Bild: Make Love / Heji Shin)
Sexuelle Aufklärung im Jahr 2012? Sie ist nötig wie eh und je. Lobenswert, wenn Autoren dabei neue Wege gehen und offen sind für alle Spielarten.
Von Carsten Weidemann
"Erregung ist angeboren. Gute Sexualität nicht." Dieses Faktum stellt Ann Marlene Henning an den Anfang ihres Buches "Make Love", das sie gemeinsam mit Tina Bremer-Olszewski geschrieben hat. Die eine ist 45, Sexologin und Mutter eines Sohnes im Teenageralter, die andere ist 36, Journalistin und Kulturwissenschaftlerin. Beide wissen: "Die gute Sexualität, die bringt sich jeder selbst bei, so gut er kann, ein Leben lang." Ihr Aufklärungsbuch will dabei helfen.
Was Aufklärungslektüre angeht, da gibt es ein Auf und Ab. Entsprechende Bücher sind, im Rückblick betrachtet, stets ein "Sittengemälde" des jeweils Gültigen und Erlaubten, des Tabuisierten oder gar Kriminalisierten. So stand in den 50er und 60er Jahren die "sittliche Erziehung" des Jugendlichen im Vordergrund, die mit Tabus gepflastert war - inklusive des Verbot von Masturbation und außerehelichem Sex. In den Siebzigern dagegen war es die sexuelle Befreiung, die zählte. Das Ausleben des Triebs war Trumpf, und sogar die kindliche Sexualität wurde thematisiert. Bücher wie Günter Amendts "Das Sexbuch" oder der Fotoband "Zeig Mal" mit Bildern von Will McBride sind Klassiker dieser Zeit.
Sexaufklärung im Buch - Sittengemälde der Jahrzehnte
"Make Love" (Not War?): Klingt schwer nach den Siebzigern, ist aber ein Buch der Neuzeit (Bild: Verlag Rogner & Bernhard)
Mit den Achtzigern hielt auch die homosexuelle Emanzipation Einzug in die publizierte Aufklärung. Thomas Grossmann mit "Schwul, na und!" sowie das Autorenpaar Elmar Kraushaar und Matthias Frings mit "Männer.Liebe" setzten zwei Meilensteine. Nach diesen Bestsellern kam leider Aids dazwischen, und die genossene sexuelle Freiheit musste einpacken.
Aufklärungsbücher der letzten 20 Jahre versuchten den Spagat zwischen Angst vor der bedrohlichen Infektion und dem Erhalt der sexuellen Freuden, dies allerdings recht lustlos und vor allem recht normierend. Sex-Aufklärung fand in der Schule, der Familie oder in der "Bravo"statt, was deren Leserschwund aber auch nicht aufhielt. Einen kleinen Ritt durch die Geschichte der Publikationen der Sexaufklärung liefert unsere unten verlinkte Galerie.
Wer heute nach Sex sucht, geht ins Internet und wird nach spätestens vier Klicks fündig. Doch das Gezeigte ist oft die verzerrte, weil kommerzialisierte Version einer Sexualität, die Märchen erzählt, Mythen aufbaut und endlose Erregungskurven verspricht. Die Autorinnen von "Make Love" finden dies erschreckend - und nennen damit den Grund für ihren Ansatz, der zwar vom Titel her schwer nach den Siebzigern klingt, in Wirklichkeit aber schwer angesagt und nahe an den Realitäten ist.
Schwul-lesbische Sexualität gleichberechtigt statt im Extrakapitel
Das Buch "Make Love" stellt die Bedürfnisse und die Erfahrungen junger Menschen beim ersten Kontakt mit Sexualität in den Mittelpunkt. Es fragt nach dem Gemeinsamen und betont das Partnerschaftliche. Gemeinsames Ausforschen der Lustpunkte und Gefühle statt egoistischem Gerammel mit Quickie-Orgasmus. Hetero- wie Homosexualität werden dabei gleichwertig dargestellt und abgehandelt. Und es geht auch indirekt auf die Queer-Theorien ein, nach der zwischen sexueller Identität und Geschlecht, zwischen sexuellem- und Rollenverhalten zu unterscheiden ist. Auch bei den begleitenden erotischen Bilderstrecken.
Das gab es bislang noch in keinem Aufklärungsbuch! Der Verlag scheint zudem einen Lustnerv getroffen zu haben: Das Buch ist erstmals im Mai 2012 erschienen, liegt aber bereits in der vierten Auflage vor.
Infos zum Buch
Ann-Marlene Henning und Tina Bremer-Olszewski: Make Love: ein Aufklärungsbuch. Mit Fotografien von Heji Shin. 256 Seiten. Verlag Rogner & Bernhard, Berlin 2012. 22,95 €. ISBN 978-3954030026
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Mehr queere Kultur:
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Früher die angeblichen Aufklärungsbücher kamen mir eher vor wie Wichsliteratur für Heten als wirkliche Aufklärung mit sämtlichen Fascetten. Der Fokus war stärker auf den weiblichen Körper orientiert, natürlich mit mehr Bildern nackter Frauen als Männern und auch die Beschreibungen gingen eher darum wie man sich um den weiblichen Körper "zu kümmern" hat, anstatt auch auf den Körper des Mann einzugehen...auch beim passiven Sex.
Schön das in einem Aufklärungsbuch das Thema Homosexualität endlich mal gleichberechtigt behandelt wird