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- 13. September 2012 3 Min.

Initiatior des Antrags war der schwule Landtagsabgeordnete der Grünen Kai Klose
Der Rechts- und Integrationsausschuss des Hessischen Landtags hat am Mittwoch einstimmig dafür gestimmt, die Opfer des ehemaligen §175 StGB zu rehabilitieren.
Eingebracht worden war der Antrag von den Grünen. "Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich dementsprechend im Bundesrat verhält und die Initiative des Landes Berlin zur Rehabilitierung aller nach dem Paragraphen 175 Verurteilten mit ihrem Votum unterstützt", begrüßte der lesben- und schwulenpolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Kai Klose, den Beschluss. Leider sei die Frage nach dem Abstimmungsverhalten der Landesregierung im Bundesrat heute im Ausschuss aber unbeantwortet geblieben.
Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hatte bereits in der Plenarsitzung des Landtags vom 28. Juni 2012 den Antrag der oppositionellen Grünen unterstützt: "Für mich ist es folgerichtig, dass man über die Aufhebung der Urteile auf alle Fälle nachdenken muss, die in der Bundesrepublik bis 1969 auf der Grundlage […] des §175 StGB erlassen worden sind", erklärte der Minister vor dem Plenum.
122 Jahre Kriminalisierung von schwulem Sex

Mit diesem Plakat warb der mittlerweile verblichene Bundesverband Homosexualität 1991 für die Abschaffung des Paragrafen 175
Der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches stellte 122 Jahren lang einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Bis 1969 galt das Gesetz in der Bundesrepublik in der von den Nazis verschärften Form – zirka 50.000 Männer wurden in dieser Zeit wegen einvernehmlicher sexueller Beziehungen verurteilt. Bereits erotisch gefärbte Annäherungen waren in Westdeutschland strafbar. Das Gesetz wurde 1969 entschärft, aber erst 1994 gänzlich abgeschafft – bis dahin galt für Schwule ein höheres Schutzalter als für Heterosexuelle oder Lesben. In den 50er Jahren war der Paragraf 175 sogar vom Bundesverfassungsgericht als rechtmäßig bestätigt worden, da Homosexualität den "sittlichen Anschauungen des Volkes" entgegenlaufe.
Auch die DDR ließ Schwule wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgen, allerdings mit einem weniger drakonischen Gesetz. Der entsprechende Paragraf wurde 1968 entschärft und kurz vor der Wende im Jahr 1988 gänzlich abgeschafft.
Während Urteile aus der Nazizeit 2002 aufgehoben wurden und Überlebende Anspruch auf Entschädigung haben, sind die nach 1945 verurteilten Homosexuellen bis heute nicht rehabilitiert. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich bislang gegen die Rehabilitation ausgesprochen. Bei einer Debatte im Mai 2011 erklärten Politiker der beiden Fraktionen, dass die Urteile damals rechtsstaatlich zustande gekommen seien – wegen der "Rechtssicherheit" dürften sie deshalb nicht aufgehoben werden. Auch die SPD machte damals "verfassungsrechtliche Bedenken" geltend (queer.de berichtete). Bereits frühere Bundesregierungen, darunter auch Rot-Grün, hatten den Schritt abgelehnt.
Bundesratsinitiative des rot-schwarzen Berliner Senats
Neuer Druck in Sachen Rehabilitierung kommt jedoch vom rot-schwarzen Berliner Senat. Er stellte im Mai eine verfassungsrechtliche Expertise von Professor Hans-Joachim Mengel vor, die zu dem Ergebnis kommt, dass eine rückwirkende Aufhebung nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch politisch geboten sei (queer.de berichtete). Als Folge brachte Berlin im Bundesrat einen Entschließungsantrag zur Rehabilitierung und Unterstützung schwuler Männer ein, die in der Bundesrepublik und der DDR verfolgt wurden. Die Beratung in der Länderkammer steht noch aus. (dk)
Links zum Thema:
» Der Antrag des Berliner Senats im Bundesrat als PDF














