
Der "Berliner Kurier" versucht sich an einer Enthüllung, kann aber nicht mal Outing und Coming-out auseinanderhalten
Die Aufregung um ein möglicherweise echtes Interviews eines schwulen Bundesliga-Profis mit dem Magazin "Fluter" will nicht abreißen. Kein Wunder, dass andere Redaktionen da mithalten wollen.
Der "Berliner Kurier" jedenfalls hat nun einen Reporter losgeschickt, um sich mit einem "Insider" zu treffen. Ein 23-Jähriger, der in Berlin als Fotograf unter dem Pseudonym "Foxxy Fox" arbeitet – nach allem, was man im Internet zu ihm findet, vor allem als Amateur und Ehrenamtler in der Regionalliga Nord-Ost.
Doch der "Insider" hat Großes anzukündigen: "Noch weiß ich nicht, dass er mir gleich Dinge erzählen wird, die wahrscheinlich für viel Aufsehen sorgen werden", schreibt der Reporter des "Kurier" über das Treffen, um die Spannung zu steigern.
Und tatsächlich: "Zurzeit könnte ich eine komplette Elf aufzählen mit Spielern aus der Bundesliga und sogar zwei aktuelle Nationalspieler, die schwul sind", so der Insider. Die Dunkelziffer sei "natürlich viel höher".
Leider ist die Beweisführung ein wenig dürftig geraten: "Es gibt im Internet unter anderem eine bestimmte Dating-Seite für Homosexuelle. Dort bin ich auch angemeldet." Wow! Es gibt Gayromeo. Wer hätte das gedacht?
"Man chattet unter einem Nickname mit fremden Personen", erklärt uns der Insider mit seinem gewaltigen Fachwissen weiter. "Nach einer gewissen Zeit, wenn man sich vertrauter geworden ist, nennt man auch mal seinen richtigen Namen, also natürlich nur den Vornamen. Oder schickt ein sehr privates Bild. Einmal kam mir die Person auf den Fotos bekannt vor. Also schaute ich im Internet und fand ihn tatsächlich als Fußballer!"
Das ist der einzige Beweis, den "Berlins ehrliche Boulevardzeitung" bringt: Jemand hat dem Fotografen ein Foto geschickt und der hat dann gegoogelt. Aber das ist natürlich hieb- und stichfest: Wer lügt schon auf Gayromeo?
Auch ansonsten erweist sich der "Insider" als Experte: Es sei zu früh für ein Coming-out eines Kickers, behauptet er und belegt dies mit einem einzigen schwulen Fußball-Fanclub aus Nürnberg, der anfänglich Probleme mit der Akzeptanz gehabt habe. Es gibt eine ganze Menge solcher Clubs in ganz Deutschland, es gab Anti-Homophobie-Kampagnen des DFB, es gab vieles mehr und durchaus viel positives, was man noch als Experte hätte ergoogeln und dann berichten können.
Das alles sagt freilich wenig darüber aus, wieviel Homophobie ein Fußballer selbst zu ertragen hätte, was dieser selbst befürchtet. Da war das "Fluter"-Interview ergiebiger. Dazu sagt der Fotograf: "Das habe ich auch gelesen". Wow! Er finde "es gut, dass der erste Spieler sich getraut hat. Aber viel bringen wird das nicht, so anonym (…) In ein paar Tagen ist das allerdings wieder vergessen, das Versteckspiel geht weiter, weil ein Name fehlt."
Zum Abschluss des anonymen Massen-Outings glaubt der junge Fotograf allerdings, ausgerechnet seine Worte würden helfen: "Ich hoffe, dass ich damit den Weg für die Profis vielleicht ein bisschen ebener machen und den Leuten zeigen kann, dass ein Umdenken stattfinden muss."
Vielleicht liefert er tatsächlich einen Grund für ein Coming-out: Liebe Fußballer, einer der Vorteile, offen mit seiner sexuellen Orientierung umzugehen, ist, dass man selbst über sich reden kann und nicht auf "Insider" angewiesen ist. (nb)
-Hier ist ein User unterwegs mit ähnlichem nick..
- Die Zahl 23...
Zufall?