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- 29. September 2012 5 Min.

Aus dem jungen Schweizer Physik-Studenten Sascha Burger wird King Alexander IV.: "Plötzlich Royal"
In Roland Brodbecks Roman "Plötzlich Royal" findet sich ein einst verstoßener schwuler Urenkel der Queen plötzlich auf dem Thron wieder – das homophobe Jamaika tritt aus Protest aus dem Commonwealth aus.
Von Angelo Algieri
Was wäre, wenn ein offen schwuler Mann König von Großbritannien und des Commonwealth Realm würde? Genau solch ein spannendes Szenario spielt der Debütroman "Plötzlich Royal" des Schweizer Autors Roland Brodbeck durch. Er ist im Berliner Querverlag erschienen.
Der Autor, Jahrgang 1966, hat an der renommierten Eidgenössischen Technischen Hochschule Physik studiert und promoviert. Er arbeitete bis 2005 am Geographischen Institut der Universität Zürich. Zudem ist er Wissenschaftsjournalist.
Doch nun zum Plot: Der junge Schwule Sascha Burger lebt in Zürich und ist ein Urenkel der Queen. Doch Sascha und seine Familie wurden von den Royals verstoßen. Denn die Mutter hat einen Schweizer Katholiken geheiratet und fällt damit aus der Thronfolge raus. Doch was das Buckingham Palast nicht weiß: Ihre Zwillingskinder sind anglikanisch getauft. Das erfährt die Presse 2005 und schon stellt ein Rechtsexperte die bestehende Thronfolgeliste infrage. So würde zwar die Mutter von Sascha ausgeschlossen, nicht jedoch deren Nachkommen.
Im Jahr 2008 wurde der Rechtsstreit der Auslegung der Thronfolgeregelung beigelegt und Sascha Burger wird plötzlich die Nummer zwei auf der Liste. Vor der Annahme des Adelstitels durch die Queen lassen sich Sascha und sein Freund Simon in der Schweiz und in England verpartnern. Sicher ist sicher. Doch ausgerechnet bei der Zeremonie, auf der Simon zum Ritter geschlagen wird, bekommt Queen Elisabeth II. einen Schwächeanfall, wird in die Klinik gebracht und stirbt kurz danach…
Großvater George wird Opfer eines Attentats

Stirbt ausgerechnet kurz nach dem Ritterschlag des Freundes des schwulen Urenkels: Queen Elisabeth II.
Sascha bzw. Prince Alexander, Duke of Dover, ist nun Thronfolger. Sein Großvater George wird König. Da Sascha nicht scharf darauf ist, König zu werden, zieht das schwule Thronfolgerpaar vor, das Physik-Studium in Zürich zu beenden. Zwei Jahre später haben die Parlamentshäuser eine neue Thronfolgeregelung getroffen: Eine geschlechtsneutrale Regelung, die auch Familienmitglieder einschließt, die einen Katholiken heiraten. Demnach wären nun Saschas Mutter sowie seine ein paar Minuten ältere Zwillingsschwester vor ihm auf der Thronfolgeliste. Doch kurz vor der Unterzeichnung des Gesetzes durch den Großvater wird er Opfer eines Attentats – und stirbt. Da die neue Thronfolgeregelung nicht in Kraft getreten ist, wird der 25-jährige Sascha Burger zum neuen König Alexander IV. ernannt.
Dem offen schwulen König bläst schnell mächtiger Gegenwind entgegen. Einmal von der Anglikanischen Kirche, deren Oberhaupt er kraft Amtes ist, und zum anderen von einigen Ländern des Commonwealth, die einen schwulen König, der offen mit seinem Freund auftritt, nicht akzeptieren. Zwar setzt Sascha klare Akzente für LGBT-Rechte – er fühlt sich der Community verpflichtet. Doch muss er einige Kompromisse eingehen, etwa dass Simon in der Kirche nicht neben ihn sitzen darf. Um seine Eingeständnisse der Community zu erklären, benutzt er (darüber freuen wir uns natürlich sehr!) queer.de. In einem Blog auf diesem Portal erläutert das königliche Paar als "Palastmäuschen" die Vorgänge in der "letzten Bastion des guten Benehmens".
Eklat beim Botschafterempfang
Die politischen Stürme reißen indes nicht ab: Bei einem Botschafterempfang kommt es zum Eklat mit einigen homophoben Diplomaten. Und Jamaika, bekannt durch seine Homo-Strafgesetze, kündigt die Monarchie auf und ruft die Republik aus. Werden weitere Länder des Commonwealth folgen? Um ein Zeichen der Solidarität zu setzen, bittet Sascha die LGBT-Community, Demos weltweit zu organisieren. Eine findet direkt vor dem Buckingham Palast statt. Als sich Sascha der Demo anschließt, kommt es zum Massaker…
Roland Brodbeck zeigt radikal die politischen Konsequenzen, wenn ein offen Schwuler heute König von Großbritannien und somit auch des Commonwealth Realm würde. Spannungen wären programmiert. Gerade Länder des Commonwealth, in denen homosexuelle Handlungen noch immer unter Strafe stehen, könnten tatsächlich mit der Monarchie brechen. Wie weit würde das britische Parlament einen homosexuellen König tragen, wenn das Vereinigte Königreich große wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müsste? Jamaika oder Barbados wären vielleicht zu verkraften, doch was wäre, wenn beispielsweise Indien aus dem Commonwealth of Nations austreten würde?
Fünfuhrtee mit Guido Westerwelle

Roland Brodbeck ist Physiker und als Wissenschaftsjournalist tätig. "Plötzlich Royal" ist sein erster Roman (Bild: BWZ-Rapperswil)
Im Roman steht der britische Premierminister Cramer (in Anlehnung an Cameron) hinter den LGBT-Rechten und -Forderungen – auch wenn der König das Neutralitätsgebot in diesem Fall verletzt. Bis auf Cameron sind viele Romanfiguren dem realen Leben entnommen. So trinkt Sascha etwa mit Außenminister Guido Westerwelle und seinem Partner Michael Mronz einen Fünfuhrtee. Über ihre Erfahrungen als homosexuelle Promis wird dabei nicht gesprochen – Westerwelle empört sich stattdessen über die "spätrömische Dekadenz" von Hartz-IV-Beziehern…
Wer bei dieser Spitze an Klamauk oder an britischem Humor à la Alan Bennett ("Die souveräne Leserin") denkt, irrt. Brodbeck hat ein mögliches, realistisches Szenario geschaffen – mit allen Schwierigkeiten. Weniger realistisch hingegen ist das abstruse Massaker am Ende des Romans. Im Gegensatz zum Attentat auf den Großvater von Sascha. Auch die Verhaltensweisen der königlichen Angestellten des Palastes sowie die Tricks des anglikanischen Bischofs sind dagegen überaus glaubwürdig.
Wirtschaftliche Verwicklungen und Korruption
Bedauerlich, dass Ich-Erzähler Sascha zu kühl und distanziert wirkt. Er schildert zwar sehr detailliert, bleibt aber emotional unantastbar. Seltsam – schließlich muss das junge Königspaar verschiedene Herausforderungen meistern. Auch der Vater-Sohn-Konflikt kommt nicht zum Tragen. Spannend jedoch die Schilderungen von wirtschaftlichen Verwicklungen und Korruption. Das hätte noch ausgebaut werden können. Der Plot hätte so Shakespeare'sche Ausmaße gehabt, doch leider bleibt der Roman etwas hinter seinen Erwartungen zurück. Schade!
Zudem stellt Roland Brodbeck Multi-Kulti infrage und lässt es für tot erklären. Unverständlich, da England aufgrund der imperialen Vergangenheit eine bunte Gesellschaft ist… Man könnte auch sagen, dass der Autor in diesem Zusammenhang den "Clash of Civilizations" geradezu beschwört: "böse" Jamaikaner gegen "gute" Engländer, Homohasser-Migranten gegen homophile Mehrheitsgesellschaft. Ich hätte mir mehr Differenzierung gewünscht statt eines pauschalen Schwarz-weiß-Denkens. In diesem Zusammenhang hätte es dem Roman gut getan, etwa jamaikanische LGBT-Aktivisten durch den Gay-König zu empfangen oder schwule ebenbürtige Figuren mit Migrationshintergrund einzuführen.
Trotzdem: "Plötzlich Royal" ist ein aufmüpfiges und radikal-engagiertes Debüt sowie ein eindeutiges Plädoyer für die konsequente Durchsetzung von LGBT-Rechten. Garantiert nicht nur für amused Royal-Fans!
Roland Brodbeck: Plötzlich Royal. Roman. Querverlag, Berlin 2012. 336 Seiten. 14,90 €. ISBN: 978-3-89656-203-6.
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