Bundeskanzlerin Angela Merkel erteilt der Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben eine Absage (Bild: World Economic Forum / flickr / by-sa 2.0)
Bei der CDU-Regionalkonferenz in Fulda hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch vor 1.800 Parteimitgliedern klargestellt, dass es mit ihr keine weiteren Schritte zur Gleichstellung von Homo-Paaren geben werde.
Merkel erklärte auf eine Frage zur Position der CDU gegenüber der rechtlichen Stellung von gleichgeschlechtlichen Paaren: "Hier haben wir gesagt, das werden das aus eigenem Antrieb politisch nicht machen. Ich halte das auch für gerechtfertigt". Sie sagte weiter, für sie seien eingetragene Partnerschaften inzwischen "okay", schränkte jedoch ein: "Aus meiner Sicht ist die Verbindung Ehe und Familie immer noch etwas Besonderes, das erstreckt sich für mich auch auf das Adoptivrecht von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und auch auf die steuerliche Gleichstellung."
Des weiteren übte Merkel Kritik an den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Homo-Paare in vielen Bereichen gleichzustellen. Karlsruhe habe einen Weg genommen, "der über das, was ich persönlich entschieden hätte, hinausgeht", sagte die Kanzlerin. Bislang hat das höchste deutsche Gericht Schwarz-Gelb aufgefordert, verfassungswidrige Diskriminierungen bei der Grunderwerbsteuer, beim Familienzuschlag, der Erbschaftsteuer und der Hinterbliebenversorgung aufzuheben und Schwule und Lesben gleichzustellen. Ein Urteil zur Einkommensteuer wird im kommenden Jahr erwartet.
"Ich finde, wir sollten es [die Gleichstellung] aktiv in unserer politischen Abeit nicht machen", so Merkel. "Die Ehe sollte eine steuerliche Bevorzugung haben, dazu stehe ich."
LSVD: Merkel hält uns für "Bürger zweiter Klasse"
In einer ersten Reaktion bezeichnete Ulrich Keßler vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg die Äußerungen der Kanzlerin als "Skandal": "Frau Merkel hält Lesben und Schwule offenbar für Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse". Daher werde der LSVD die Bundestagsabgeordneten "zukünftig stärker in die Pflicht nehmen und sie daran erinnern, dass sie ihren Wählerinnen und Wählern verpflichtet sind und nicht Frau Merkel". Der Verband befrage künftig alle Direktkandidaten in Berlin und Brandenburg, ob sie sich für gleiche Rechte oder eine Beibehaltung des Status quo einsetzten. Das schließe auch andere Themen wie die Ergänzung des Gleichbehandlungsartikels im Grundgesetz um das Merkmal "sexuelle Identität" ein: "Bei diesen sensiblen Themen sollen sich die Politiker nicht weiter hinter ihrer Partei oder Fraktion verstecken", so Keßler.
Der grüne Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck verurteilte insbesondere die Kritik Merkels am Bundesverfassungsgericht: "Merkel will mehr diskriminieren als das Verfassungsgericht erlaubt!", so Beck. "Dass der Kanzlerin selbst die bisherigen Entscheidungen zu weit gehen, ist eine Ungeheuerlichkeit." Die Kanzlerin müsse endlich beantworten, warum "die Ehe von Herrn Sauer mit Frau Merkel" höherwertiger sei als "die Lebenspartnerschaft von Herrn Westerwelle mit Herr Mronz".
"Die deutliche Ablehnung Frau Merkels enttäuscht uns sehr, weil ja die Gerichte schon klar in eine andere Richtung entscheiden", kritisierte am Abend Alexander Vogt, Bundesvorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union. "Gleichzeitig verspielt die Kanzlerin gerade viele Sympathien innerhalb der Reihen konservativer Lesben und Schwulen. Wenn schon die Gerichte entsprechend reagieren, Abgeordnete und Minister der Regierung anderer Meinung sind und die Länder sich ebenfalls für eine Gleichstellung aussprechen, ist die Relevanz deutlich groß genug, sich zumindest mit einem Kompromissvorschlag einzubringen."
Konservative zufrieden
Die Fuldaer CDU gilt als äußerst konservativ. Die Frage zu Homo-Rechten hatte der Stadverbandsvorsitzende Wolfgang Dippel, der auch Bürgermeister von Fulda ist, an Angela Merkel gerichtet: Der Politiker beschwerte sich über das "Theater in der Sommerpause", das von 13 CDU-Abgeordneten im August angestoßen worden ist: Die Parlamentarier hatten gefordert, Homo-Paare in Steuerfragen nicht länger zu diskriminieren (queer.de berichtete). Gegenüber dem Hessischen Rundfunk äußerte sich Dippel hochzufrieden über die Reaktion der Kanzlerin in Fulda: Das Thema sei damit "parteipolitisch vom Tisch", sagte der Christdemokrat.
Bei der Debatte um die Gleichstellung von Schwulen und Lesben im Steuerrecht hatte den 13 Abgeordneten auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) den Rücken gestärkt (queer.de berichtete). Allerdings lehnte eine große Zahl von CDU-Politikern die Gleichbehandlung ab, darunter auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, Unionsfraktionschef Volker Kauder und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (siehe queer.de-Ticker). (dk)
Updates: 15:30 Uhr (Reaktionen LSVD/Beck), 21:30 Uhr (LSU)
Man muss sich das vorstellen:
Eine Regierungschefin, die es kritisiert, wenn das Bundesverfassungsgericht auf niedrigem Niveau Rechte gleichstellt, die anderswo längst völlig gleichgestellt sind. Anderswo, wo unsereiner nie ins KZ kam.
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