Der Berliner Kardinal steht dem Anti-Homophobie-Bündnis nicht zur Verfügung (Bild: Wiki Commons / Membeth / CC-Zero, Montage: queer.de)
Die Chancen der restlichen drei Nominierten für den Respektpreis 2012 sind gestiegen. Der Berliner Kardinal Woelki möchte die Auszeichnung nicht.
Von Carsten Weidemann
Kardinal Rainer Maria Woelki ist der Entscheidung der Jury des Berliner "Bündnis gegen Homophobie", die im November über den kommenden Träger des "Respektpreis 2012" entscheiden wollte, zuvor gekommen. Nach Bekanntgabe seiner Nominierung am Donnerstag lehnte er am Freitag in aller Bescheidenheit ab. "Für mich als katholischer Christ und erst recht als Priester ist die Achtung aller Menschen selbstverständlich", sagte er gegenüber einer Presseagentur. Er wolle sich nicht für eine Selbstverständlichkeit auszeichnen lassen.
Das Bündnis, dem sich namhafte Unternehmen und Verbände mit Sitz in Berlin angeschlossen haben, hatte bereits zweimal den Preis an Organisationen vergeben, die sich in "herausragender Weise gegen Homophobie engagiert haben oder die Initiativen zur Förderung und Nutzung der Vielfalt sexueller Orientierungen vorbildlich umsetzen." In diesem Jahr wollte man das Wirken von Einzelpersonen würdigen. Auf der Nominiertenliste landeten die Kabarettistin Gabi Decker, der Buchautor David Berger, die Bürgerrechtlerin Seyran Ateş sowie der Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (queer.de berichtete).
Woelki wie Kritiker sind einer Meinung: Selbstverständliches braucht keine Auszeichnung
Dem neuen Kardinal hielt man zugute, dass er sich als hochrangiger Geistlicher erstmals öffentlich für ein neues Miteinander mit Homosexuellen in der Gesellschaft ausspricht. In der Begründung hieß es außerdem: "Darüber hinaus trat Woelki bereits im September 2011 als erster katholischer Erzbischof in Deutschland offiziell mit dem Lesben- und Schwulenverband zu Gesprächen zusammen. Damit hat Woelki das seit Jahrzehnten angespannte Verhältnis seiner Kirche zu Lesben und Schwulen durchbrochen und das Fundament für weiteren Austausch und konstruktiven Dialog geschaffen."
Die Nominierung Woelkis hatte für Erstaunen und Ablehnung gesorgt. Kritiker argumentierten, dass sich der Kardinal mit seinen Äußerungen in Wirklichkeit kaum bewegt habe. Denn die ausgelebte Homosexualität lehnt er – getreu der katholischen Morallehre – nach wie vor ab. Eingestanden habe er nur, dass er sich "vorstellen" könne, dass homosexuelle wie heterosexuelle Paare Verantwortungsgemeinschaften darstellen. Eine Selbstverständlichkeit eben, wie es auch Woelki sieht.
Die katholische Kirche ist nunmal extrem hierarchisch organisiert, und es ist immer noch unverstellbar, dass ein Kardinal gegen die offizielle Lehre der Kirche Stellung nimmt. Katholiken, auch schwule Katholiken, können aber bestimmte Signale erkennen. Woelki hat sich bisher mit Stellungnahmen äußerst zurück gehalten, was sehr klug ist, denn jedes Wort, das er sagt, kann ihm entweder außer der konservativen Ecke (Piusbrüder usw) oder aus der liberalen Ecken (Schwule, Femistinnen usw) falsch ausgelegt werden. Seine Methode ist, dass er zunächst eine liberale Meinung (z.B. seine Aussage über Homosexualität) äußerst, dann aber sofort die offizielle Lehre der Kirche hinter her schiebt.
Die offizielle Lehre ist bekannt. Wichtig ist, was er darüber hinaus sagt. Und das, was er zu HS gesagt hat, hat tatsächlich bisher noch kein Kardinal gesagt! Dafür gebührt ihm Anerkennung. Die ganze Problematik ist höchst komplex und kann nicht mit einfachen Schlagwörtern ("Diskriminierung!") erklärt werden. Die immer selben Leute, die hier gegen alles, was von der katholischen Kirche kommt, anschreiben, sollte einmal bedenken, dass die katholische Kirche in Deutschland immerhin 23 Millionen Mitglieder hat. Jede Änderung ihrer Positionen, etwa zu HS, ist daher für die Emanzipation aller Schwulen wichtig. An dieser großen Organisation geht eben kein Weg vorbei.