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- 20. Oktober 2012 4 Min.

Ein folgenschwerer Dreier und andere Katastrophen: Roland Gramlings neuer Roman "Auf dem Sprung"
Krönender Abschluss der Ackerpflaumenallee-Trilogie: In Roland Gramlings Roman "Auf dem Sprung" wird eine queere Freundesclique vom Schicksal hart getroffen.
Von Angelo Algieri
Der Frankfurter Freundeskreis der Ackerpflaumenallee 33 meldet sich zurück. Mit Luke, Meiko, Tina und Sarah sowie dem Spießer-Paar Tom und Marco. Anfangs scheint alles in Ordnung zu sein, jeder ist glücklich mit sich oder mit dem Partner. Doch so soll es nicht bleiben: Veränderungen und harte Schicksalsschläge stellen Freundschaft und Partnerschaften auf die Probe.
Der Roman "Auf dem Sprung" von Roland Gramling ist der Abschluss der so genannten Ackerpflaumenallee-Trilogie – nach "Frankfurt 30 Grad" und "Sehnsucht nach Sonne". Auch dieser Band ist im Berliner Querverlag erschienen. Der aus Unterfranken stammende Autor, Jahrgang 1982, ist Journalist und Pressesprecher des WWF Deutschland.
Doch nun zum turbulenten Plot: Luke fängt bald an zu arbeiten. Als Trainee in einer Agentur. Zum Teil freut er sich, zum Teil merkt er, dass gerade ein Abschnitt zu Ende geht. Ein paar Tage bevor er in der Agentur anfängt, haben er und sein Freund Cem einen Dreier mit Patrick, der – wie sich später herausstellt – in der gleichen Agentur arbeitet. Die Dreierbeziehung entwickelt sich zu einer scheinbar dauerhaften. Allerdings endet diese Menage à trois nach einem halben Jahr, als Patrick gesteht, sich in Luke verliebt zu haben. Luke ist nun in der Zwickmühle. Ohne dass Cem es weiß, treffen sich er und Patrick von nun an zu zweit. Wie lange wird es gut gehen?
Meikos verschwundene Sehnsuchtsliebe

Der deutsche Armistead Maupin: Roland Gramlings Trilogie erinnert an die legendären "Stadtgeschichten" (Bild: WWF Deutschland)
Den anderen Mitgliedern des Freundeskreises geht es nicht besser. Kurz nachdem Tom und Marco ihre Hochzeitspläne verkünden, landet Tom mit seiner lesbischen Freundin Sarah – beide besoffen – in der Kiste. Nach zwei Wochen erfährt Sarah, dass sie schwanger ist – das Chaos ist perfekt. Alle wissen bald Bescheid. Nur Marco nicht. Noch nicht. Sarah will eigentlich abtreiben. Doch als Jörg, der feste Freund von Tina und bester Freund von Marco, überraschend stirbt, entscheidet sie sich für das Kind. Leben, findet sie, sei zu wertvoll.
Von der ganzen Clique wirft es vor allem Tina und Marco aus der Bahn. Tina bekommt Depressionen und wird schizophren. Sie sieht und spricht mit Jörg und glaubt, dass er noch lebt. Während Marco seine Hochzeit mit Tom abbläst – allerdings nicht nur wegen des Todes seines besten Freundes…
Auch der Hedonist Meiko, Tinas Bruder und bester Freund von Luke, macht eine Veränderung durch. Seine heimliche Sehnsuchtsliebe Dejan hat sich seit einem halben Jahr nicht mehr gemeldet. Zuletzt hatte er ihm aus Moskau geschrieben. Ist er Opfer eines homophoben Gewaltverbrechens geworden? Aus großer Sorge und starker Zuneigung engagiert er einen Hacker und Privatdetektiv, ihn zu finden. Anfangs ohne Erfolg. Doch nach Monaten gibt es eine heiße Spur – und Meiko fliegt Hals über Kopf dorthin. Was erwartet ihn dort?
Geburt und Tod, Veränderung und Schicksalsschläge

Die ersten Bände der Ackerpflaumenallee-Trilogie: "Frankfurt 30 Grad" und "Sehnsucht nach Sonne"
Roland Gramling hat einen krönenden Abschluss seiner Trilogie geschrieben. Grundlegende Themen wie Geburt und Tod, Veränderung und Schicksalsschläge sowie (Regenbogen-)Familie und Freundschaft stehen im Mittelpunkt. Interessant und löblich ist, dass der Autor nicht an der Oberfläche bleibt. Er zeigt beispielsweise tiefere Facetten der Trauer. Dabei schildert er die Folgen eines unbearbeiteten Traumas, eindrucksvoll in der Figur Tina dargestellt.
Überhaupt: die Figuren. Gramling gelingt es – wie in den Bänden zuvor – auf faszinierende Weise, die unterschiedlichen Charaktere zu beschreiben. Der Dritte-Person-Erzähler ist wie mit einer Kamera sehr nah bei den Figuren. Freude, Trauer, Wut, Stolz oder innere Zerrissenheit werden sehr bewundernswert erzählt – ohne zu langweilen oder gar zu banalisieren.
Doch Gramling geht es neben einer gut geschriebenen Story – erstaunlich auch seine genau auf Kohärenz und Logik bedachte Erzählweise (andere Autoren können sich von ihm eine Scheibe abschneiden) – auch um Fragen des Lebens: Kann man auf Dauer glücklich sein? Was heißt Leben – und vor allem was heißt schwules Leben? Sind wir wirklich "Gefangene von wiederkehrenden Verhaltensmuster", wie Luke meint? Sind wir ihnen fatalerweise ausgeliefert? Weitere Fragen sind: Um was geht es im Leben? Wie ist mit Veränderungen oder harten Schicksalsschlägen umzugehen? Was heißt das Richtige zu tun? Gramlings Roman stellt eine Fülle von Fragen und gibt darauf auch einige Antworten.
Exzellente Sexszenen und übertriebene Symbole
Kleiner Wermutstropfen: Trotz des löblichen realistischen Erzählstils – hier denke ich etwa an die exzellenten Sexszenen, die im Ton zum übrigen Text hervorragend passen -, gibt es zu offensichtliche Stimmungsbilder oder Symbole, die sich penetrant auftun. Sie wollen zum übrigen Erzählstil nicht so recht passen. Die Elster als Symbol für den bevorstehenden Tod. Oder die eingehenden Beschreibung eines Sturmes für das bevorstehende große Aufwirbeln…
Dennoch: Der in Frankfurt und Berlin lebende Autor hat einen sehr beeindruckenden, unterhaltsamen als auch nachdenklichen Roman geliefert. Gramling ist durchaus mit Armistead Maupin ("Stadtgeschichten") zu vergleichen. Beide beschreiben exzellent verschiedene Figuren unterschiedlicher sexueller Orientierung und konfrontieren sie mit aktuellen oder allgemeinen Themen. Gramling hat zudem eine Hommage an Frankfurt geschrieben so wie Maupin eine an San Francisco. Ein großartiger Abschluss einer wundervollen Trilogie!
Roland Gramling: Auf dem Sprung. Roman. Querverlag, Berlin 2012. 392 Seiten. 14,90 €. ISBN: 978-3-89656-204-3

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