Kein Vorbild: Jeder vierte Lehrer lacht vor der Klasse über homophobe Witze (Bild: www.audio-luci-store.it / flickr / by 2.0)
Studie aus Berlin: 62 Prozent der Grundschüler verwenden "schwul" oder "Schwuchtel" und 40 Prozent "Lesbe" als Schimpfwort.
Von Carsten Weidemann
Alarmierende Ergebnisse einer Studie aus Berlin: Laut der am Mittwoch vorgestellten Studie "Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen" verwenden 62 Prozent der Grundschüler der sechsten Klasse "schwul" oder "Schwuchtel" sowie 40 Prozent "Lesbe" als Schimpfwort. Über diskriminierendes Verhalten gegenüber Mitschülern, die homosexuell sind bzw. für homosexuell gehalten werden, berichtet durchschnittlich jeder dritte Schüler in der Hauptstadt.
Homophobie ist laut der im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft von Dr. Ulrich Klocke erstellten Studie nicht nur an Grundschulen, sondern über alle Schulformen hinweg zu beobachten, wenn auch unterschiedlich stark verbreitet. So verwenden in den Klassenstufen 9 und 10 "nur noch" 54 Prozent "schwul" oder "Schwuchtel" als Schimpfwort und 22 Prozent das Wort "Lesbe".
Dabei gibt es deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede: "Mädchen haben sehr viel positivere Einstellungen zu schwulen und bisexuellen Jungen und Männern und viel positivere Einstellungen zu gleichen Rechten von Lesben und Schwulen", heißt es in der der Untersuchung. "Zugleich zeigen Mädchen weniger diskriminierendes Verhalten als Jungen."
Schüler mit Migrationshintergrund negativer eingestellt
Nur 15 Prozent der Lehrer kennen den Inhalt der Richtlinien zu Sexualerziehung (Bild: cliff1066™ / flickr / by 2.0)
Schüler mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund haben laut der Studie "deutlich negativere Einstellungen zum Thema Homosexualität" als Jugendliche ohne einen solchen Migrationshintergrund. Zugleich lassen sich Schüler mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund eher durch das Verhalten ihrer Lehrkräfte (im negativen wie im positiven Sinne) beeinflussen.
Nicht immer kommen die Lehrkräfte dabei ihrer Vorbildfunktion nach. So lacht jeder vierte Lehrer demnach in Anwesenheit der Klasse über homophobe Witze. Zugleich kennen nur 15 Prozent der befragten Lehrer den Inhalt der Richtlinien zu Sexualerziehung an Berliner Schulen, obwohl Schulleitungen und Lehrerschaft zur Thematisierung von Schwulen und Lesben im Unterricht grundsätzlich eher positiv eingestellt sind.
LSVD sieht "großen Handlungsbedarf"
In einer ersten Stellungnahme sieht der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) "großen Handlungsbedarf": "Wir müssen verstärkt in den Grundschulen aktiv werden", forderte Geschäftsführer Jörg Steinert in einer Pressemitteilung. "Kindern Vielfalt als etwas Selbstverständliches zu vermitteln, ist einfacher, als bereits verfestigte Vorurteile bei Jugendlichen abzubauen. Aber auch die unmittelbare Sensibilisierungsarbeit mit Jugendlichen muss grundsätzlich weiter ausgebaut werden." Steinert forderte Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf, den Kampf gegen Homophobie zur Chefsache zu erklären.
Für die Studie wurden 787 Schüler, 27 Lehrer und 14 Elternvertreter aus den Klassenstufen 6 bzw. 9/10 sowie 12 Schulleiter befragt.
Fachtag "Vielfalt für Fortgeschrittene"Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) sieht großen Fortbildungsbedarf und lädt deshalb Berliner Lehrkräfte zu dem Fachtag "Vielfalt für Fortgeschrittene" am Freitag, den 7. Dezember 2012 von 9 bis 16 Uhr ein. Ort: Rathaus Schöneberg, John-F.-Kennedy-Platz 1, 10825 Berlin. Anmeldung unter
regenbogenschutzkreis.de.