Peter Altmaiers sexuelle Orientierung ist für den Presserat ohne öffentliches Interesse (Bild: Wiki Commons / Lettres / CC-BY-SA-3.0-DE)
Ein Artikel der "taz" über Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) führt nur deswegen nicht zu Maßnahmen, weil die Chefredakteurin diesen zurückzog und sich entschuldigte.
Von Norbert Blech
Das "Outing" von Peter Altmaier durch die "taz" in diesem Sommer war ein Verstoß gegen den Pressekodex. Mit der "Spekulation über die sexuelle Orientierung von Bundesumweltminister Peter Altmaier wurde dessen Persönlichkeitsrecht verletzt", so der Beschwerdeausschuss des Presserats in seiner Begründung. "Es bestand kein öffentliches Interesse an dieser Berichterstattung, die den Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen überlagert hätte."
Wie der Presserat auf Anfrage von queer.de mitteilte, verstieß der Artikel, über den sich mindestens eine Person beschwerte, somit gegen Ziffer 8 des Pressekodex ("Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen"). Die Beschwerde sei daher begründet gewesen. Man habe aber auf Maßnahmen verzichtet, da die "taz"-Chefredakteurin sich für den Text entschuldigt und diesen aus dem Online-Archiv gelöscht hatte. Ines Pohl hatte in einer Hausmitteilung argumentiert, dass die sexuelle Orientierung eines Menschen "politisch wie moralisch" irrelevant sei.
In dem Artikel hatte "taz"-Redakteur Jan Feddersen das Versteckspiel von Peter Altmaier kritisiert. Anlass war ein Interview, in dem der CDU-Politiker sagte: "Der liebe Gott hat es so gefügt, dass ich unverheiratet und allein durchs Leben gehe" (queer.de berichtete). Feddersen kritisierte darauf das "pseudobarocke Schwurbeln" rund "um das schlimme Sch…-Wort".
Einige Medien und Blogs griffen darauf den "taz"-Artikel als "Outing" auf. Dabei hatte es bereits vorher deutlichere Berichte über die sexuelle Orientierung Altmaiers gegeben, etwa auf queer.de oder in einer Kolumne von Elmar Kraushaar – ebenfalls in der "taz" und weiterhin online abrufbar. Auch war die Homosexualität des Ministers bereits ein offenes Geheimnis.
Debatte über Outing
"taz"-Chefredakteurin Ines Pohl hatte die sexuelle Orientierung eines Politikers als "Privatsache" bezeichnet und den Altmaier-Artikel löschen lassen (Bild: Anja Weber/taz)
Der Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ) hatte in seinem Kölner Appell bereits vor elf Jahren Medien aufgefordert, aus der sexuellen Orientierung von Prominenten "kein Geheimnis zu machen" und damit Homosexualität nicht länger zu tabuisieren. Vielmehr solle "zwischen sexueller Orientierung und Privatleben" unterschieden werden. Viel Wirkung hatte der Aufruf allerdings nicht, auch in den eigenen Reihen: Die Presserats-Beschwerde gegen den "taz"-Artikel war privat von einem BLSJ-Mitglied verfasst worden.
Umweltminister Altmaier, der die Berichte über seine sexuelle Orientierung weder bestätigte noch dementierte, hatte im Bundestag im Sommer gegen Anträge der Opposition für eine Gleichstellung Eingetragener Partnerschaften gestimmt. Nach dem "taz"-Artikel hatte es eine Debatte gegeben, ob auch das ein legitimer Grund für ein "Outing" sein kann. In einer Replik auf "taz"-Chefin Ines Pohl schrieb etwa der Blogger Stefan Niggemeier: "Natürlich ist es politisch relevant, ob Peter Altmaier schwul ist, wenn Peter Altmaier im Parlament gegen die Gleichstellung von Schwulen stimmt." Andere Blogger hatten das "Outing" von Altmaier kritisiert, die meisten Medien nicht über die Frage berichtet (queer.de berichtete).
Der LSVD hatte gegenüber queer.de erklärt, man wolle sich "grundsätzlich nicht an Spekulationen über die sexuelle Identität von Politikern beteiligen". Es dürften aber "keine unterschiedlichen Maßstäbe angelegt werden. Wir kritisieren daher die häufige Praxis, Homosexualität zur 'Privatsache' zu erklären, es gleichzeitig aber für selbstverständlich zu halten, heterosexuelle Beziehungen fröhlich öffentlich zu Markte zu tragen."
Der Presserat und Homosexualität
Am Dienstag erhielten Personen auch Post vom Presserat, die sich über eine Kolume von Franz-Josef Wagner in der "Bild" beschwert hatten – die drei Beschwerdeausschüsse hatten unter anderem darüber und über den "taz"-Artikel zwischen dem 25. und 27. September beraten. Wie bereits vorher bekannt wurde, hielt es der Presserat für eine zulässige Meinungsäußerung, dass sich Wagner gegen ein Adoptionsrecht für Homo-Paare aussprach (queer.de berichtete). Er hatte dazu geschrieben, dass für Schwule und Lesben doch eine "glorreiche Zeit" herrsche: "Niemand steckt Euch ins Gefängnis."
Zusätzlicher Hintergrundbericht:
Der Presserat zum Thema Homosexualität
Von der "pervertierten Welt der Luxus-Homos" zu Strichern im Vatikan: Die Entscheidungen des Presserats in einem Überblick.