Ob ein schwuler Kanzler ähnliche Liebeserklärungen in der deutschen Presse veröffentlichen könnte wie der Berliner Regierungschef?
Bei einer EU-weiten Umfrage zeigen sich die Deutschen skeptisch bei der theoretischen Frage nach einem schwulen, lesbischen oder bisexuellen Regierungschef.
Die Europäische Kommission hat ihre neueste "Eurobarometer"-Erhebung über die Diskriminierung in der EU veröffentlicht und darin die sexuelle Orientierung berücksichtigt. Die Meinungsforscher wollten von Bürgern der 27 Mitgliedsstaaten unter anderem wissen, ob sie sich mit einem homo- oder bisexuellen Politiker im höchsten politischen Amt des Landes "wohl fühlen" würden. In Deutschland behaupten dies nur 44 Prozent – und damit liegt die Bundesrepublik unter dem EU27-Schnitt von 50 Prozent. Immerhin stieg die Zahl der Befürworter hierzulande um drei Prozentpunkte seit der letzten Befragung im Jahr 2009. In Deutschland würden sich weitere 20 Prozent mit einem Homo-Regierungschef "ziemlich wohl" fühlen, 22 Prozent würden sich "unwohl" fühlen.
Am wenigsten Probleme mit Homo- oder Bisexuellen haben dieser Frage zufolge die Schweden (85 Prozent), die Dänen (84 Prozent) und die Niederländer (83 Prozent). Auch Großbritannien (70 Prozent) und Frankreich (64 Prozent) liegen noch weit vor Deutschland. Insgesamt schnitten nord- und westeuropäische Länder mit Abstand am besten ab.
Slowakei ganz unten
Am wenigsten Unterstützung für einen LGB-Regierungschef kommt von den Slowaken. Von ihnen gaben 59 Prozent an, dass ihnen dieser Gedanke Unwohlsein bereite. Alarmierend: Diese Zahl ist in den letzten drei Jahren um 17 Prozentpunkte gestiegen. In sechs weiteren Ländern teilen mehr als die Hälfte der Bevölkerung dieses Gefühl: Zypern, Lettland, Griechenland, Litauen, Rumänien und Bulgarien.
Im Durchschnitt der 27 EU-Mitgliedsstaaten stagnieren die Zahlen seit der letzten Eurobarometer-Umfrage, allerdings gibt es innerhalb der Union Veränderungen: Neben der Slowakei gibt es mehr Vorurteile in Tschechien (plus zwölf Prozentpunkte) und Ungarn (plus acht Prozentpunkte). Auf der anderen Seite fühlt sich die Bevölkerung in 16 der 27 Mitgliedsstaaten wohler mit einem LGB-Regierungschef. Am meisten nahm die Toleranz in Luxemburg mit plus 28 Prozentpunkten zu, gefolgt von Slowenien und Österreich (plus neun Prozentpunkte). Die Alpenrepublik liegt damit nur noch knapp hinter Deutschland.
Laut "Eurobarometer" zeigen die Zahlen, dass insbesondere die Anzahl an schwulen, lesbischen oder bisexuellen Freunden oder Bekannten den Toleranzgrad eines Menschen gegenüber sexuellen Minderheiten bestimmt. Weitere Faktoren für eine positivere Einstellung sind der Besuch einer Hochschule und die politische Einordnung als links. Außerdem gehören besonders Frauen und unter 55-Jährige zu dieser Gruppe.
"Eurobarometer" werden seit 1973 zwei Mal pro Jahr veröffentlicht. Mit der repräsentative Umfrage beobachtet die EU-Kommission die Meinungsentwicklung in der europäischen Bevölkerung. (dk)