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  • 29. November 2012 31 5 Min.

David Halperin (60) ist Professor für englische Literatur an der University of Michigan in Ann Arbor, USA

Mit seinem Kurs "How to Be Gay" löste Prof. David Halperin an der Universität Michigan einst einen Skandal aus. Das Magazin "Männer" sprach mit ihm über schwule Kultur.

Von Kriss Rudolph,
Redaktion "Männer"


Was macht einen Menschen schwul?

Jedenfalls nicht bloß der Sex, den er praktiziert. Sexuelle Betätigung unter Männern allein macht niemanden gay – homo­sexuell dagegen schon. Stattdessen gibt es aber alle möglichen Kulturpraktiken, die schwule soziale Welten von der Hetero-Gesellschaft unterscheiden.

Man muss allerdings umgekehrt nicht schwul sein, um daran teilzuhaben. Und manchmal sind schwule Kulturpraktiken wie das "Auftransen" für schwule Männer schwerer zu akzeptieren als schwuler Sex – sie rufen eine Menge Verleugnung, Verachtung und andere phobische Reaktionen hervor. Wahrscheinlich weil sie mit Weiblichkeit assoziiert werden. Ich frage mich also, ob nicht Kultur vielleicht besser Auskunft über das Innenleben schwuler Männer gibt als ausgerechnet Sex.

Jedenfalls ist das gemeint, wenn ich sage, dass Schwulsein für gewisse Wertvorstellungen steht. Es ist nicht nur ein Zustand, ein Unfall, der uns passiert: Es ist eine Lebensart, die wir aktiv praktizieren, mit Auswirkungen auf die Art, wie wir leben, fühlen, und die Art, wie wir unsere eigenen Welten schaffen.

Das, was du schwule Kultur nennst, wird allerdings von den meisten ihrer Vertreter verachtet und abgelehnt.

Wenn ich sage, dass der große Wert traditionell schwuler Kultur in einigen seiner meist-verachteten Aspekten liegt, erkenne ich das durchaus an. Die meisten Schwulen würden diese gerne hinter sich lassen, wie du sagst. Und ich bestreite nicht, dass es Klischees sind. Aber ob wir sie hinter uns lassen wollen oder nicht, sie haben Bestand: Wie sonst lässt sich die immense Popularität von Lady Gaga bei Schwulen erklären? Aber mein Punkt ist nicht, dass Diven-Verehrung oder eine Art Besessenheit mit der Mutterfigur die Essenz schwuler Kultur ausmachen.

Mein Punkt ist: Wenn wir uns mal genau einige der verhassten Aspekte schwuler Kultur ansehen, egal ob sie noch gelten oder nicht – dann finden wir darin jede Menge politische und soziale Aspekte, die uns vielleicht veranlassen, unsere Abwehr neu zu bewerten. Statt sie zu unterdrücken, sollten wir stolz auf sie sein!

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Eine Überarbeitung von Halperins Kurs "How to be gay" aus dem Jahr 2000 ist jetzt neu als Buch erschienen

Welche Aspekte meinst du?

Es gibt viele Formen von Weiblichkeit unter schwulen Männern: das Verkleiden als Drag Queens, das Anschauen alter Hollywood-Melodramen oder ganz speziell die Faszination für die Aristokratie oder die Royal Family.

Du schreibst, dass Homosexualität an vielen Schwule verschwendet sei. Das setzt voraus, dass sie einen eigenen Wert hat. Welchen?

Unser Schwulsein ermutigt uns, kritisch zu betrachten, was für andere Leute selbstverständlich ist. Vor allem die selbstentlarvende Natur heterosexueller oder heteronormativer sozialer Formen wie etwa die Ehe.

Als du den Kurs "How to be gay" damals an der Uni gehalten hast, gab es ziemliche Aufregung. Die Leute müssen große Angst vor dir gehabt haben.

Ich weiß nicht, ob sie Angst vor mir hatten. Ich glaube, eine Menge Konservative sahen den Kurs als Bestätigung dafür, was sie immer schon dachten, was die Unis tun, ohne es zuzugeben: nämlich aus "normalen" Teenagern schwule machen.

Mal angenommen, du könntest das.

Ich muss niemanden für einen Gay Lifestyle rekrutieren. Einige – Männer wie Frauen – sind kulturell eh schon schwul. Man muss dafür nicht homo­sexuell sein. Und es gibt eine Menge Schwuler, die keinen Schimmer haben, wie man kulturell schwul ist – ich gehörte früher auch dazu. Darum fand ich das Thema ja so interessant. Diesen Kurs zu machen und später das Buch zu schreiben, hat mich kulturell schwuler gemacht. Vielleicht in anderer Hinsicht auch.

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Die hier ausgewählten Fragen und Antworten sind ein Auszug aus einem umfassenden Interview mit David Halperin, das in der Dezember-Ausgabe des Magazins "Männer" erschienen ist

Du untersuchst, warum Schwule sich oft mehr in heteronormativen Werken wiederfinden als in schwulen. Du sagst provokant: Warum Edmund White lesen, wenn wir "Golden Girls" gucken können?

Natürlich mögen einige Schwule Edmund White oder "Will & Grace" oder die Filme von Rosa von Praunheim oder Almodóvar oder sonstige Darstellungen schwulen Lebens. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass sie vielleicht sexy Fußballspieler oder olympische Atheleten mögen. Oder dass sie vielleicht Marlene Dietrich mochten oder die Garbo – damals in den schlechten alten Zeiten, als es noch keine direkten Darstellungen ihrer selbst gab.

Tatsache ist, dass einige Schwule heute immer noch oft mehr Bedeutung in nicht-schwulen Darstellungen finden als in schwulen. Das hätte nicht passieren sollen. Die Schwulenemanzipation hätte dem ein Ende setzen müssen.

Du zweifelst daran, dass es einen echten schwulen Stolz gibt.

Der Stolz auf unser Schwulsein und die soziale Akzeptanz von Schwulen in der Gesellschaft basiert auf einem psychologisch leeren politischen Modell schwuler Identität, das die schwullesbische Bewegung verbreitet hat – damit wollte man die alte psychologische Vorstellung von Homosexualität als psychische Abnormität ablösen. Damit war man ja auch erfolgreich. Aber man hat in der Folge aufgehört, Schwulsein als subjektives Erlebnis zu erforschen.

Wir fragen nicht mehr, wie es sich anfühlt, schwul zu sein, oder verfechten die Art, wie wir anders fühlen. Wir sind nicht wirklich stolz auf unsere nicht-standardisierte Art zu leben und zu fühlen. Stattdessen haben wir einen leeren schwulen Stolz.

Die ausgewählten Fragen und Antworten sind ein Auszug aus einem umfassenden Interview mit David Halperin, das in der Dezember-Ausgabe des Magazins "Männer" erschienen ist.

Infos zur Person

David Halperin (60) ist Professor für englische Literatur an der University of Michigan in Ann Arbor, USA. Der Reiz, den etwa Judy Garland auf Schwule ausübte, war ihm lange ein totales Rätsel. Bis ihm sein jüngerer Liebhaber Nachhilfe im Schwulsein gab – worunter Halperin ausdrücklich weniger Sex als Kultur versteht. Zu seinen Veröffentlichungen zählen "Gay Shame" (2009) und "What Do Gay Men Want? An Essay on Sex, Risk, and Subjectivity" (2007). Frisch erschienen ist die Überarbeitung seines Kurses "How to be gay", der im Jahr 2000 für viel Aufregung sorgte: Konservative sahen darin eine Bedrohung für heterosexuelle Studenten und die Blaupause für eine schwule Weltherrschaft.

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#1 FoXXXynessEhemaliges Profil
  • 29.11.2012, 15:20h
  • "Sexuelle Betätigung unter Männern allein macht niemanden gay homosexuell dagegen schon."

    Ich verstehe diesen Satz nicht! Was meint er denn damit? Ist gay und homosexuell nicht dasselbe?
  • Direktlink »
#2 MaxiAnonym
  • 29.11.2012, 15:30h
  • Für mich bedeutet schwul sein in erster Linie das ich erotisch und sexuell auf Männer orientiert bin und offen dazu stehe.
    EInen Lifestyle würde ich daraus nicht kreieren, dafür sind Schwule dann doch zu verschieden.

    Mich befremdet es eher wenn andere meinen weil ich schwul bin habe ich so und so zu sein oder zu reagieren.
    Das wäre auch ziemlich langweilig wenn alle Schwulen gleich wären.
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#3 Thorsten1
  • 29.11.2012, 15:56hBerlin
  • Antwort auf #1 von FoXXXyness
  • Da schreibt FoXXXyness seit Jahren fast täglich seine Beiträge hier bei queer.de und ist nicht in der Lage, die Unterschiede zwischen gay/schwul und homosexuell zu erkennen!
    Man glaubt es nicht!
    Kein Wunder, dass nur ca. 1 - 2 % aller Homosexuellen Mitglied der organisierten schwulen Emanzipationsbewegung sind.
    Offensichtlich hat sich in diesem Land seit den Zeiten von Rosa von Praunheim nicht allzu viel verändert. Vielleicht sind aber auch Portale wie Gayromeo, wo es zu 99 % nur um Sex geht, ein schwulenemanzipatorischer Rückschritt. Früher standen die "Homosexuellen" in den Klappen, heute in GayRomeo.
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