Dieses Bild von sich veröffentlichte Lingen – neben seiner Petition für ein Recht auf Homohass – auch auf openpr.de
In einer Petition fordert Rolf Hermann Lingen, ungestraft gegen Schwule hetzen zu können. Dabei macht er genau das seit langem, auch auf kreuz.net.
Von Norbert Blech
Während die Suche nach den Hintermännern des homophoben Hetzportals kreuz.net weiter geht und bislang vor allem untergeordnete Autoren für Schlagzeilen sorgen, gerät manchmal in Vergessenheit, dass einige Verfasser hetzerischer Artikel durchaus seit Jahren bekannt sind und letztlich nie für schwulenfeindliche Aussagen belangt wurden.
Ein besonderes Beispiel ist Rolf Hermann Lingen aus Dorsten im Kreis Recklinghausen. Der 45-Jährige nennt sich selbst katholischer Priester, wird aber trotz einer mit der Note "Sehr gut" bewerteten Ausbildung in den Bistümern Essen und Chur inzwischen auch von der Kirche bekämpft, die ihm den Titel streitig macht. Lingen fühlt sich den Sedisvakantisten zugehörig, einer Art Sekte, die den aktuellen Papst ablehnt.
Lingen, der bei seiner Schwester wohnt und arbeitet, verbreitet seine erzkonservativen Aussagen via Youtube, einer eigenen Webseite und teilweise auch via kreuz.net, mit voller Namensnennung und bekannter Adresse. Derzeit macht er mit einer auch auf gloria.tv veröffentlichten und von kreuz.net verlinkten Petition von sich reden: "Legalisiert Anti-Homosexualität".
Gegen die Abschaffung des Paragragen 175
Ein Lingen-Artikel in typischer kreuz.net-Aufmachung
In vielen Bürgern bleibe "die natürliche Abneigung gegen Homosexualität verwurzelt", schreibt Lingen in der Begründung. "Homo-Kritiker" wie der Verfasser würden aber strafrechtlich verfolgt – "dafür, dass sie an die klare einhellige biblische und überhaupt katholische Lehre zur Homosexualität erinnern, z.B. an das Strafgericht über Sodom". Es gebe "menschenrechtswidrige Verfolgungen von Homokritikern weltweit", zur Verfolgung in Deutschland schreibt er: "Wer sagt denn heute noch offen, dass [der] §175 StGB niemals hätte abgeschafft werden dürfen?"
Dabei sei Homosexualität kein Menschenrecht, ein Gesetz gegen "Homokritik" könne daher "niemals Rechtskraft erlangen, schon weil es gegen das Naturrecht verstößt", argumentiert Lingen. Aber Menschen würden verfolgt "wegen Anti-Homosexualität, lügnerisch bezeichnet als 'Homophobie'. Typische Vorwürfe sind 'Hass-Reden', 'Volksverhetzung' und andere absurde Vorwände." Der Sinn der Sexualität sei Fortpflanzung, so Lingen weiter. "Deshalb sollte es jedem erlaubt sein, sowohl offen Homosexualität abzulehnen, als auch offen der Kriminalisierung und Bestrafung von Homosexualität zuzustimmen."
Streng genommen fordert er damit selbst noch keine Bestrafung von Homosexuellen, das ist allerdings durchaus eine Masche: Über den Holocaust schrieb er etwa: "Hinsichtlich der 'Strafbarkeit von Holocaust-Leugnung' kursieren zudem viele falsche Auffassungen. So meinen manche, man müsste glauben, dass in Dachau Juden vergast wurden, dass in Auschwitz sechs Millionen Juden ermordet wurden, dass in Auschwitz eine Originalgaskammer zu sehen ist, dass Juden zu Seife verarbeitet wurden etc. Tatsächlich sind alle diese Aussagen schlichtweg falsch". Ein anderes Mal schrieb er, das Verbot der Holocaustleugnung sei "menschenrechtswidrig", weil man seine "Unschuld nicht beweisen" könne.
Es liegt aber immer auf der Hand, was Lingen sagen will, auch zur Bestrafung von Homosexualität. Zur Einweihung des Mahnmals für homosexuelle NS-Opfer schrieb Lingen über das "abartige Spektakel": "Homosexuelles Verlangen ist zwar eine schlimme Geisteskrankheit, aber erfahrungsgemäß immer vollständig heilbar." Homosexualität sei eine "besonders abstoßende Verirrung", und es sei Aufgabe des Staates, "seine Bürger vor Gefahren zu schützen" und "widernatürliche Unzucht" zu bestrafen. Folglich habe die Bundesregierung "Straftätern ein Ehrenmal gesetzt".
Ansonsten nimmt Lingen kein Blatt vor den Mund, ist von anderen Autoren auf kreuz.net kaum zu unterscheiden: "Die große Mehrheit der Bevölkerung, der die beständige Homo-Propaganda Ärgernis und Abscheu ist, sollte sich die Homo-Beschimpfungen nicht länger gefallen lassen", schreibt er einmal, spricht von "Homo-Perversion" und der "Ablehnung der Homo-Unzucht" in der Bevölkerung. Oder stellt fest: "Homosexuelle sind pervers".
In einem Artikel in diesem August nutzt er, vermeintlich zusammenhangslos, bewusst Zitate, um Homosexuelle zu beleidigen: "Das sind keine Menschen, sondern Tiere, denn sie lassen sich wie das Vieh nur von ihren viehischen Begierden leiten" (Diogenes). Und: "Sodomie ist der unzüchtige geschlechtliche Verkehr zwischen Personen desselben Geschlechts auf Grund perverser Triebanlage oder lasterhafter Verrohung" (Joseph Mausbach, 1861-1931).
Grenzen der Meinungsfreiheit
Lingen ist auch bei Youtube aktiv.
Lingen "vertritt auf weiten Strecken die Positionen von kreuz.net, besonders Antisemitismus und neurotischen Schwulenhass", sagt David Berger von der Initiative "Stoppt kreuz.net". Er stimme mit den Machern des Portals aber in vielen wichtigen Dingen nicht überein und komme daher als Macher selbst kaum in Frage.
Nach allem, was man weiß, wurde gegen Lingen wegen solcher homofeindlicher Ausfälle nie ermittelt, anders als wegen Antisemitismus. Das ist ein Problem, das auch der erwünschten Strafverfolgung der Hintermänner von kreuz.net noch im Weg stehen könnte – vor allem da sexuelle Orientierung weiterhin nicht ausdrücklich im Volksverhetzungsparagrafen erwähnt wird und Meinungs- und Religionsfreiheit einen großen Stellenwert besitzen.
Sollte man ihn also ignorieren, auch weil er und andere inzwischen versuchen, sich als Märtyrer einer "Gaystapo" zu inszenieren und ein Prozess dementsprechend vom "reaktionären Sumpf" zu weiterer Propaganda genutzt würde, wie Berger befürchtet?
Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass eine Anzeige oder gar Anklage im Sand verlaufen würde. In einem Prozess wegen Beleidigung wurde Lingen bereits wegen "einer paranoiden Persönlichkeitsstörung" als nur vermindert schuldfähig angesehen, auch in einem Prozess wegen Amtsanmaßung (als römisch-katholischer Priester) wurden ihm fehlende Einsichtsfähigkeit und Schuldunfähigeit zu Gute gehalten, da der Angeklagte "von seiner Sichtweise unbeirrbar überzeugt" sei. So kam es dort zu einem Vergleich, Lingen sagte im Gegenzug zu, zahlreiche Gegen-Strafanzeigen fallen zu lassen.
Macht es sich die Justiz mit ihm zu einfach und bequem? Lingen ist nicht für unmündig erklärt worden, und er testet im Internet fröhlich, mit bewusstem Hass und durchaus intelligent die Grenzen der Meinungsfreiheit weiter aus. Und waren früher problematische Aussagen Einzelner, etwa in Fußgängerzonen, noch halbwegs ungefährlich, können selbst komplette Spinner im Internet noch ein breites Gehör finden und eine Gefahr bilden.
In Großbritannien kann deshalb inzwischen ein einzelner homophober Tweet schon zu einer Geldstrafe führen. Das mag zu weit gehen, der Fall Lingen zeigt aber in jedem Fall, dass sich nicht nur die Kirche, sondern auch die Justiz und die Gesellschaft genaue Gedanken machen müssen, was sie zeitgemäß für inakzeptabel halten und mit welchen Mitteln man Hass auf Minderheiten wirksam bekämpft.