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Bundesparteitag in Hannover

CDU vor Showdown um Homo-Rechte

  • 03. Dezember 2012 30 3 Min.

Anders als sein ultrakonservativer Vorgänger Stefan Mappus will der baden-württembergische CDU-Vorsitzende Thomas Strobl Schwule und Lesben nicht länger beim Steuerrecht diskriminieren

Auf dem Bundesparteitag in Hannover entscheidet sich, ob die CDU Schwule und Lesben endlich als gleichwertig akzeptieren will. Gegner und Befürworter der Diskriminierung bringen sich in Stellung.

Am Wochenende haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer beteuert, dass sie die steuerrechtliche Benachteiligung von eingetragenen Lebenspartnern gegenüber Eheleuten beibehalten wollen (queer.de berichtete). Trotzdem melden sich nun Befürworter der Gleichstellung zu Wort. So erklärte der baden-württembergische Landesvorsitzende Thomas Strobl gegenüber der "Südwestpresse", konservativ zu sein heiße, "die Überzeugung zu haben, dass die Politik keine Lebenskonzepte vorgeben soll". Die Union sollte "kein bestimmtes Familienmodell" für verbindlich erklären. "Wenn Menschen ein Leben lang, in guten wie in schlechten Zeiten, füreinander Verantwortung übernehmen, sollten wir das unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung anerkennen", so Strobl, der auf dem Parteitag zum Vize-Bundesvorsitzenden gewählt werden soll.

Auch die Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, erklärte, dass das Festhalten an der Diskriminierung der Union schade: In homo­sexuellen Partnerschaften würden ebenfalls Werte gelebt werden, erklärte Klöckner in der BZ: "Es steht uns nicht zu, diskriminierend darüber zu urteilen."

Katrin Wolff: "Das ist eine moralische Frage"

Sogar aus dem homofeindlichen Landesverband Hessen kommen Stimmen für die Gleichbehandlung: So erklärte der hessische Innenminister Boris Rhein im HR: "Ich hab mich immer engagiert dafür, dass wir uns öffnen und sagen, uns sind Menschen willkommen, auch Menschen, die in entsprechenden Partnerschaften leben. Das macht für mich überhaupt keinen Unterschied." Auch die ehemalige Kultusministerin und Vize-Ministerpräsidentin Katrin Wolff spricht sich für die Gleichstellung aus: "Das ist auch eine moralische Frage. Wenn zwei Menschen füreinander einstehen, bedeutet das auch, dass sie bei Arbeitslosigkeit oder Scheidung füreinander einstehen. Diese Gleichstellung gibt es schon, es gibt aber noch keine Gleichstellung im steuerrechtlichen Bereich."

Der Kreisverband Fulda hatte zuvor den Antrag gestellt, die Gleichbehandlung abzulehnen. Der Initiator, der Fuldaer Bürgermeister Wolfgang Dippel, verteidigt den Entwurf. Er wirft Homo-Paaren vor, in Deutschland für Instabilität zu sorgen: "Ein Staat überlebt, wenn die Bevölkerungsstruktur stabil ist und das geht halt nur mit Mann und Frau".

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Jan-Marco Luczak: "Viele Homosexuelle würden gerne die Union wählen"


Jan-Marco Luczak erklärte, dass Diskriminierung von Schwulen und Lesben nicht zu höheren Geburtenraten führten (Bild: Wiki Commons / Mllidt.Thomas / CC-BY-SA-3.0)

Über den Antrag entscheidet der Parteitag voraussichtlich am Dienstagnachmittag. Der Berliner Bundestags­abgeordnete Jan-Marco Luczak erwartet eine knappe Entscheidung. Er gehörte im Sommer zu den 13 CDU-Bundestags­abgeordneten, die in einer gemeinsamen Erklärung die Gleich­behandlung im Steuerrecht forderten (queer.de berichtete). In der "Berliner Morgenpost" erklärte Luczak, dass kein Kind weniger geboren werde, wenn die gleich­geschlechtliche Partnerschaft voll anerkannt werden würde. Außerdem vergebe die Union in Großstädten viel Potenzial, denn als Berlin-Schöneberger Abgeordneter kenne er viele Schwule und Lesben und wisse, "dass viele Homo­sexuelle die Union eigentlich gerne wählen würden – aber erst, wenn sie sich von unserer Partei anerkannt fühlen."

Luczak warnte auch davor, dass die Bundes­regierung am Ende wieder vom Bundes­verfassungs­gericht gerügt werden könnte: "Wenn ich mir die Rechtsprechung der letzten Monate ansehe, scheint es mir eindeutig zu sein, dass wir hier in eine juristische Niederlage hineinlaufen". Karlsruhe hatte Schwarz-Gelb in den letzten Jahren bereits aufgefordert, verfassungswidrige Diskriminierungen bei der Grunderwerbsteuer, beim Familienzuschlag, der Erbschaftssteuer und der Hinterbliebenenversorgung aufzuheben.

Für die Opposition ist die Debatte in der Union befremdlich. So erklärte der grüne Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck, dass die CDU nur für "gesellschaftspolitische Nostalgiker" interessant sei: "Die CDU-Spitze verbreitet einen Mief der 50er-Jahre", so Beck. Der schwule SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs wiederum glaubt, dass sich die CDU bei einem Scheitern des Antrags auf die ländlichen Gebiete zurückziehen werde: "Sollte der Antrag durchfallen, braucht sich die CDU über Großstadtkompetenz oder Modernität keine Gedanken mehr zu machen", sagte der Hamburger Parlamentarier dem "Handelsblatt". (dk)

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#1 Thorsten1
  • 03.12.2012, 12:43hBerlin
  • Wenn man sieht, wie Schwule und Lesben unter modernen Großstädtern in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt usw schon heute voll integriert sind, könnte man glauben, Orte wie Fulda lägen auf einem anderen Stern. Es kann doch nicht sein, dass sich die CDU von Hinterwäldlern aus der tiefsten Provinz die Richtung vorgeben lässt.
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#2 goddamn liberalAnonym
  • 03.12.2012, 13:14h
  • Antwort auf #1 von Thorsten1
  • Unsere Pysikerin kalkuliert das nüchtern durch. Die Mehrheit ihrer Wähler lebt in der Provinz und auch die anderen finden verfassungswidrige Diskriminierung nicht so schlimm- auch wenns um uns geht. Und warum sollte es uns besser gehen als Asylbewerbern?

    Wichtiger als die Wähler ist dann noch die Partei. Zu deren Ressentimenthaushalt gehört unter anderem eine massive Homophobie. Man fühlt sich bürgerlich und wohlanständig und da haben wir nichts zu suchen. Das Unterscheidungsbedürfnis kann einen nicht verwundern: Auch hier im Forum gibt es Leute, die sich christlich und bürgerlich vorkommen und sich deswegen gerne von 'Sozialschmarotzern' absetzen.

    Frau Merkel und die ihren kommen also zu dem Ergebnis, dass es nichts bringen würde, die 'Legalisierung des Bösen' (so Ratzinger, der geistige Führer des Klerikalmilieus, über die Homo-Ehe) voranzutreiben.
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#3 Logik78Anonym
  • 03.12.2012, 13:23h

  • In der CDU herrscht die Dummheit. Die Diskriminierung Homosexueller hält diese nicht nur als Wähler fern. Eine sehr breite Mehrheit befürwortet die Gleichstellung. Die Ablehnung erzeugt über das eigentliche Thema hinaus das Image der ungerechten und ewiggestrigen Partei. Wen wundert es, dass die Union in den Großstädten nicht mehr ankommt? Aber stattdessen läuft die Partei den wegsterbenden Homohassern hinterher. Und Frau Merkel zeigt, dass sie von Logik nichts versteht, wenn sie mit ihrer Ablehnung letzten Endes nur ihre eigene Dummheit zu Markte trägt.

    Man muss sich freuen. Sollen die Homosexuellendiskriminierer sich selbst schaden. Aber es ist ekelhaft, dass die Partei, welche maßgeblich zur Homosexuellenverfolgung beigetragen hat, auch die ist, die Homos diskriminiert und herabwürdigt und nicht die Rehabilitierung ihrer eigenen Opfer voran treibt.
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