Die Runde: Martin Lohmann, Birgit Kelle, Stefan Kaufmann, Lucy Diakovska und Ralph Morgenstern
Bei "Hart aber fair" versuchen zwei reaktionäre katholische Aktivisten, die Zeit zurückzudrehen – und wollen nebenbei noch Ralph Morgenstern zur Heterosexualität bekehren.
Von Dennis Klein
"Wieso fordert eigentlich jemand gleiche Rechte, der so viel Wert aufs Anderssein legt?", eröffnet Frank Plasberg die "Hart aber fair"-Runde am Montag. Man könnte auch fragen: Warum fordern Juden die gleiche Rechte, wo sie doch sonntags nicht in unsere schönen Kirchen gehen? Die Diskussion mit dem Titel "Papa, Papa, Kind: Homo-Ehe ohne Grenzen?" beginnt also gleich blutdrucksteigernd. Als dann die fünf Gäste vorgestellt werden, wird es schlimmer: Mit der katholischen Publizistin Birgit Kelle und dem Theologen Martin Lohmann sind zwei Hardcore-Katholiken am Start, die am liebsten die Sichtbarkeit von Homosexuellen auf den Stand der 50er Jahre zurückversetzen wollen.
Der größte Teil der Diskussion dreht sich nicht um den Antrag einiger CDU-Abgeordneter zur Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern im Einkommensteuerrecht, den der schwule Stuttgarter CDU-Chef Stefan Kaufmann vorstellt. Nichts zu hören ist von Kindern aus Regenbogenfamilien, obwohl diese doch das Titelthema sind. Statt dessen verschwendet die Runde die meiste Zeit mit dem schwul-lesbischen Weihnachtsmarkt in Köln – kein Wunder, ist der doch zwei U-Bahn-Stationen vom Studio entfernt und eignet sich für einige Aufnahmen einer singenden Dragqueen und halbnackter Jungs bei einer Modenschau. Für die beiden Katholiken in der Runde ist das der Untergang des Abendlandes: Birgit Kelle fühlt sich davon "provoziert", während Lohmann den "homosexuellen Hype" lamentiert und über Homosexuelle als "gefühlte Mehrheit" spricht.
"Falsche Erfahrungen mit Heterosexualität"
So bebilderte die WDR-Redaktion die Sendung: Ein schwuler Weihnachtskalender soll als Kronzeuge herhalten, dass Heterosexuelle mehr Rechte verdienen als der gemeine Homo
Die beiden herzenskalten Fundis schrecken dabei nicht davor zurück, die anwesenden homosexuellen Gäste aus der Unterhaltungsindustrie – die lesbische Pop-Sängerin Lucy Diakovska von den No Angels und den schwulen Moderator Ralph Morgenstern – mit Bekehrungsversuchen zu überhäufen. Hier sind drei Zitate von Lohmann, die er in der besten ARD-Sendezeit von sich geben darf: "Vielleicht haben Sie falsche heterosexuelle Erfahrungen gemacht." – "Ich glaube, dass sie manche falschen Erfahrungen mit Heterosexualität gemacht haben und in ihrer Sexualität nicht zu dem Punkt gekommen sind, der die komplette Erfüllung ermöglicht" – "Ich wünsche Herrn Morgenstern, dass er die Schönheit einer klaren heterosexuellen Lebenswelt wiederentdeckt".
Solche Aussagen sind es, die jungen Schwulen und Lesben das Coming-out unheimlich schwer machen – und sie sogar manchmal in den Selbstmord treiben, weil sie denken, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Leider sind weder Lucy noch Ralph Morgenstern den beiden katholischen Wortverdrehern rhetorisch gewachsen – und CDU-Mann Kaufmann hält sich aus der Diskussion heraus, die ihm sichtlich unangenehm ist. Immerhin sind Lohmann und Kelle seine Parteifreunde.
Martin Lohmann bei einem Versuch, Ralph Morgenstern zu bekehren
Am meisten Gegenwehr kommt noch vom Moderator, der immer wieder an den gesunden Menschenverstand appelliert. Als Plasberg Lohmann fragt, ob dieser nur einmal mit seiner Frau Sex gehabt habe, weil er ja nur eine Tochter hat, findet der Katholik die Frage "primitiv" und reitet die ganze Sendung auf ihr herum. Er selbst erklärt aber, dass "Homosexuelle und Lesben" generell Identifikationsprobleme mit der Sexualität hätten.
Am Ende der Sendung liefert immerhin noch Irmgard Franken, die Mutter eines schwulen Sohnes, einen versöhnlichen Abschluss. Sie erzählt vom schwierigen Prozess des Coming-outs. So habe sie bemerkt, dass sich ihr Sohn "eigentlich nie für Mädchen interessiert" habe. Im Alter von 19 Jahren fragte sie ihn dann, ob er schwul ist – was er bejahte. Nun ist sie erschüttert, wie in der Familie hinter ihrem Rücken getuschelt werde. "Das tut richtig weh, das geht nicht", so Franken. Und bezieht sich dabei wohl auch auf die beiden katholischen Diskussionsteilnehmer, die solche Ressentiments sogar in aller Öffentlichkeit pflegen.