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Nach Parteitagsbeschluss
Kritik an "ideologischer Arroganz" der CDU
- 05. Dezember 2012 3 Min.

Mit diesem Plakat zog Angela Merkel im Jahr 2000 gegen eingetragene Partnerschaften zu Felde
Nach dem "Nein" der CDU zur Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben hagelt es Kritik. Auch bei den Lesben und Schwulen in der Union ist man enttäuscht. Innerhalb der LSU gibt es aber Meinungsverschiedenheiten über die Interpretation des Parteitagsbeschlusses: LSU-Vorstand Ronny Pohle bezeichnete in diesem Zusammenhang LSU-Chef Alexander Vogt als "Weichei".
Auf dem Bundesparteitag hatten es die CDU-Delegierten am Dienstagabend mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, eingetragene Lebenspartner im Steuerrecht wie heterosexuelle Eheleute zu behandeln (queer.de berichtete). Nach der Entscheidung kritisierte der Lesben- und Schwulenverband, dass die CDU "Homosexuelle zu Bürgerinnen und Bürgern zweiter Klasse" mache: "Das Bundesverfassungsgericht hat in fünf Entscheidungen klargestellt, dass die Diskriminierung von homosexuellen Partnerschaften mit dem Verweis auf die Tradition der heterosexuellen Ehe nicht gerechtfertigt werden kann", erklärte LSVD-Sprecher Axel Hochrein. "Die Position des Verfassungsorgans interessiert die Führung der CDU nicht, sie beharrt auf einer Politik der ideologischen Arroganz."
Zwar sind selbst viele Politiker in der CDU sicher, dass das Bundesverfassungsgericht eingetragene Lebenspartner im kommenden Jahr nach Grunderwerbs- und Erbschaftssteuer auch bei der Einkommensteuer gleichstellen wird. Sie wollen aber erst nach einer Niederlage in Karlsruhe die Gesetze ändern, wie etwa Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière in einem "Phoenix"-Interview bestätigte.
Kritik an den Christdemokraten gibt es auch vom Koalitionspartner FDP: "Die angebliche neue Modernität der CDU hat sich bei der Entscheidung zu den Lebenspartnerschaften als Trugbild herausgestellt. Nicht die lobenswerten Einzelpersonen in Talkshows bestimmen die Realität der CDU, sondern konservative Hardliner", erklärte FDP-Vorstandsmitglied Michael Kauch – und fügte an: "Liberal ist halt nur die FDP". Weil die CDU Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht ernst nehme, wirft er den Konservativen ein "fragwürdiges Verständnis von Rechtsstaat" vor.
Streit in der LSU

LSU-Chef Alexander Vogt
Schwule CDU-Politiker und die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) sehen die Niederlage weniger dramatisch. So erklärte LSU-Chef Alexander Vogt gegenüber queer.de, dass das Ergebnis zwar "enttäuschend" sei. Anders als noch vor wenigen Jahren könne man in der Partei aber ernsthaft über gleiche Rechte reden: "Das Thema ist endgültig aus der Schmuddelecke gekommen. Die Hemmschwelle, sich damit zu beschäftigen, ist in dieser Partei gesunken", so Vogt.
Er wies auch die Kritik von LSU-Vorstandsmitglied Ronny Pohle zurück, der die Entscheidung "eine durch die Basis legitimierte Diskriminierung" genannt hatte. Dieser Vorwurf sei "übertrieben". "Vielleicht ist es der Spitze der Partei aber noch nicht ganz klar, wie die Basis empfindet", fügte der LSU-Chef an.
LSU-Vorstand Pohle wirft Vogt "Schönfärberei" vor

LSU-Vorstand Ronny Pohle hält seinen Vorsitzenden für zu schwach
Pohle bleibt aber bei seiner Meinung: "Die Niederlage ist und bleibt eine Niederlage, auch wenn man sie sich schön redet". Die Ignoranz gegenüber der Lebensrealität sei durch das Votum des Parteitages legitimiert. Den LSU-Vorsitzenden Vogt bezeichnete Pohle wegen seiner "Schönfärberei der ignoranten Haltung der CDU" als "Weichei".
Die CDU-Delegierten, die sich für den Antrag eingesetzt haben, bemühen sich unterdessen um Schadensbegrenzung: Der schwule CDU-Abgeordnete Jens Spahn erklärte in der "Süddeutschen Zeitung", dass die Union "nie die Speerspitze gesellschaftlicher Veränderung" sei. Aber den gesellschaftlichen Veränderungen könne sich die CDU nicht auf ewig entziehen: "Wir müssen unsere Werte aus der Zeit der 50er-Jahre übersetzen, als Homosexualität noch verboten war, in ein modernes, verändertes Heute."
Der Völklinger Kreis, der Berufsverband schwuler Führungskräfte, sieht die Christdemokraten trotz der Mehrheit gegen die Gleichbehandlung auf dem richtigen Weg: "Wir gratulieren den Wilden 13 zur Standhaftigkeit, mit der sie den irrationalen Ängsten und Argumenten mancher ihrer Parteifreunde entgegentreten", erklärte VK-Chef Bernd Schachtsiek. "Trotz der Niederlage in der gestrigen Abstimmung haben sie in den letzten Monaten viel bewegt und können sich als Sieger fühlen." Die "Wilden 13" sind 13 CDU-Bundestagsabgeordnete, die Anfang August die in einer gemeinsamen Erklärung die Bundesregierung aufgefordert hatten, Schwule und Lesben im Steuerrecht gleichzustellen – und damit die Debatte ins Rollen brachten (queer.de berichtete). (dk)
Update: 16:25 Uhr – Zitat Ronny Pohle














