Die zwölf Männer, deren Bilder auf Facebook verbreitet wurden, sind inzwischen freigelassen worden
Nach Berichten über die Folter einer Gruppe von schwulen Männern durch eine Miliz beobachtet auch das Auswärtige Amt die Lage für Homosexuelle in dem Land.
Von Norbert Blech
"Schwulen aus Libyen droht Folter und Tod durch eine Miliz" – mit Überschriften wie diesen sorgten vor rund zwei Wochen einige internationale Homo-Medien für Schlagzeilen und Besorgnis. Andere Medien, darunter queer.de, verzichteten zunächst aufgrund mangelnder Verifizierungsmöglichkeiten und einigen Zweifeln an den Details auf eine Berichterstattung.
Den Berichten zufolge, die sich alle auf die gleichen zwei Quellen bei Facebook stützten, waren am 22. November zwölf schwule Männer in einem Vorort von Tripolis verhaftet worden, durch eine Miliz, die Fotos davon in einem Account bei Facebook postete. Die Männer schienen zu dem Zeitpunkt über einige Tage festgehalten worden zu sein.
Diese Facebookseite, in der angekündigt wurde, dass die Männer aufgrund einer Zugehörigkeit zu einem dritten Geschlecht gefoltert und getötet werden würden, war allerdings erst kurz zuvor angelegt worden und zeigte Fotos, die eine Festnahme auch aus anderen Gründen hätten dokumentieren können. Eine weitere Facebookseite, Human Rights Watch Libya, gab dazu besorgte Einschätzungen ab, die von den internationalen Medien verbreitet wurden. Wenige Zeit später wurde bekannt (und größtenteils nicht korrigiert), was beinahe augenscheinlich war: Der Account gehört einer Privatperson und hat mit der Menschenrechtsorganisation nichts zu tun.
Auswärtiges Amt verfolgt den Fall
Via Facebook wurden auch beschlagnahmter Alkohol sowie Drogen und Geld präsentiert
Der Grünenpolitiker Volker Beck hatte die Bundesregierung daraufhin gefragt, welche Erkenntnisse sie zu der Sache hatte. Für diese antwortete am Mittwoch Michael Georg Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt und FDP-Politiker. Er bezieht sich in seiner umfassenden Antwort auf "Artikel der libyschen Zeitung 'Libya Herald'" – die allerdings nur ein von Ausländern gemachtes englischsprachiges Blog ist, das ursprünglich auch die vermeintliche Gruppe Human Rights Watch Libya zitiert hatte.
Link erwähnt einen Bericht, wonach die Miliz behaupte, die Männer "wegen zu lauter Musik, Alkohol- und Drogenkonsums" festgenommen zu haben, während Freunde berichteten, sie seien wegen ihrer sexuellen Orientierung inhaftiert worden. Das Blog selbst berichtet detaillierter: Mitglieder der dem Innenministerium Nawasi-Miliz hätten bei einer Routine-Patroille laute Musik gehört und seien so auf die Geburtstagsfeier gestoßen. Sie hätten die Feier gestürmt, als sie dachten, eine Frau gesehen zu haben, die mit den Männern feierte – es soll sich dem Blog zufolge um einen Mann im Fummel gehandelt haben.
Die Miliz selbst wird mit der Aussage zitiert, dass man die Männer nicht festgenommen habe, weil sie schwul sind, sondern weil sie zu laut gewesen und weil Haschich und Alkohol gefunden worden seien. Ein Freund der Männer wird allerdings mit der Aussage zitiert, die Drogen hätten der bestellten Geburtstagsband gehört. Diese heterosexuellen Männer seien kurz nach der Festnahme freigelassen worden.
Es sei nie beabsichtigt gewesen, die Männer zu töten, wird die Miliz noch zitiert, entsprechende Facebookzitate seien unkontrolliert gewesen. Das Auswärtige Amt ergänzt, dass "möglicherweise von offizieller Seite Druck auf die Nawasi-Miliz ausgeübt" wurde, die Todesdrohungen zu löschen.
Die Männer sollten vielmehr dem Innenministerium überstellt werden. Dazu kam es nicht, die Männer wurden am 29. November (Libya Herald) oder Anfang Dezember (Link) freigelassen; es werden Personen zitiert mit der Bemerkung, dass man von der Überstellung abgesehen habe, weil Misshandlungen erkennbar gewesen seien.
Fortbestehende Intoleranz
Die Hintergründe der Festnahme bleiben größtenteils ungeklärt. Allgemein gibt es aber die Sorge, dass Milizen mehr Macht bekommen.
Allgemein sieht die Bundesregierung gegenüber Schwulen und Lesben "eine fortbestehende Intoleranz seitens der konservativ geführten libyschen Bevölkerung", schreibt Link. Es sei unwahrscheinlich, dass das Verbot der Homosexualität in nächster Zeit abgeschafft wird (es besteht in Libyen ohnehin in der Form, dass außerehelicher Sex generell verboten ist). "Aufgrund des größtenteils respektierten Schutz der Privatsphäre" sei das Verbot "nur in seltenen Fällen durchgesetzt" worden, berichtet Link.
In der Tat gab es in Libyen selten Fälle einer staatlichen oder privaten Homo-Verfolgung. Nach der Revolution habe sich die Lage verbessert, sagte kürzlich ein Aktivist dem Portal Gay Star News, es sei nun einfacher geworden, sich – weiterhin diskret – zu treffen.
Man habe aber die Befürchtung, dass militante Milizen, darunter oft extreme Islamisten, an Macht gewinnen – das Beispiel Irak, in dem Schwule regelrecht von Milizen gejagt und getötet werden, hat man besorgt vor Augen.
Es ist unklar, ob libysche Behörden die zwölf Männer weiter verfolgen werden, berichtet Link. "Die Bundesregierung wird diesen Fall ebenso wie die Menschenrechtslage in Libyen allgemein weiterhin mit großer Aufmerksamkeit verfolgen." Volker Beck dankte der Regierung für die "engagierte Rolle": "Wir müssen darauf achten, dass nach dem arabischen Frühling die Gedanken von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte nicht unter die Räder kommen."