Für Rechtsanwalt Helmut Graupner ist die Anklage eine "schwere Menschenrechtsverletzung"
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Wegen "Oralverkehr ohne Ejakulation" muss sich ein HIV-positiver Mann in Wien vor dem Straflandesgericht verantworten.
In Wien steht am kommenden Montag ein HIV-positiver Mann vor dem Strafrichter, obwohl er die vom österreichischen Gesundheitsministerium und den staatlich finanzierten Aids-Hilfen propagierten Safer-Sex-Regeln eingehalten hat. Vorgeworfen wird ihm von der Staatsanwaltschaft "Oralverkehr ohne Ejakulation".
Die Anklage gründet auf § 178 Strafgesetzbuch ("Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten"). Nach diesem österreichischen Paragrafen wurden in den vergangenen zwanzig Jahren sogar Personen verurteilt, die Sex mit Kondom hatten. Erst 1997 stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass Geschlechtsverkehr mit Präservativ nicht strafbar ist. Im Jahr 2003 bedurfte es eines mehrjährigen Wiederaufnahmeverfahrens, bis das Oberlandesgericht Graz die Verurteilung eines Mannes für Oralsex ohne Ejakulation aufgehoben hat. Bereits damals hatte FPÖ-Gesundheitsminister Herbert Haupt festgehalten, "dass die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung HIV-positiver Menschen für sexuelle Kontakte mit HIV-negativen Menschen trotz Befolgung der Verhaltensempfehlungen der Gesundheitsbehörden und der Aids-Hilfen dem Anliegen einer effektiven HIV- und Aids-Prävention zuwiderlaufen".
SPÖ-Abgeordnete: Justizpolitik konterkariert Gesundheitspolitik
Für die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Petra Bayr ist die Anklage ein "großes Problem"
Dennoch verurteilte das Landesgericht Feldkirch erst im März dieses Jahren einen 17-jährigen HIV-Positiven zu einer Bewährungsstrafe von drei Monaten, weil er ungeschützten Oralverkehr an sich vornehmen ließ – wie in dem aktuellen Fall aus Wien ohne Ejakulation (queer.de berichtete) .
"Es darf nicht sein, dass HIV-Positive vom Staat dafür kriminalisiert werden, dass sie sich an eben die Verhaltensregeln desselben Staates halten", kritisierte der Rechtsanwalt des Wiener Angeklagten, Dr. Helmut Graupner: "Das stellt nicht nur eine schwere Menschenrechtsverletzung dar, sondern vor allem auch eine eklatante Gefährdung der Volksgesundheit".
In den Fall schaltete sich auch die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Petra Bayr ein. "Es ist aus gesundheitspolitischer und Aids-präventiver Sicht ein großes Problem, dass die Gesundheitspolitik eine Verhaltensweise propagiert, die dazu angetan ist, die Übertragung von HIV zu minimieren, und die Justizpolitik diese Botschaft mit Anzeigen gegen Menschen, die sich an eben jene Regeln halten, konterkariert", kritisierte Bayr in einer Schriftlichen Anfrage an die österreichische Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP).
Die Verhandlung findet am Montag, 17. Dezember 2012 in Saal 307 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Wickenburggasse 22, 1080 Wien, statt. Die Sitzung ist öffentlich. (cw)