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Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht
Adoptionsverbot wahrscheinlich verfassungswidrig
- 18. Dezember 2012 3 Min.

Anders als in Ländern wie Spanien, Großbritannien oder den USA dürfen Homo-Paare in Deutschland nicht adoptieren.
Bild: Wiki Commons / ScienceGenetics / CC-BY-SA-3.0GFDL
In Deutschland dürfen nur Hetero-Paare oder Singles Kinder adoptieren – Richter des Bundesverfassungsgerichts deuteten am Dienstag an, dass das Adoptionsverbot wahrscheinlich gegen das Grundgesetz verstößt.
Das höchste deutsche Gericht berät über die Verfassungsbeschwerde von zwei gleichgeschlechtlichen Paaren, die gegen die Benachteiligung geklagt hatten. Sie fordern, das adoptierte Kind des eingetragenen Lebenspartners ebenfalls adoptieren zu dürfen (Zweitadoption oder sukzessive Adoption). Die Vorinstanzen hatten in beiden Fällen unterschiedlich geurteilt.
Wie mehrere Nachrichtenagenturen berichten, deuteten mehrere Richter bei der mündlichen Verhandlung an, dass sie das Verbot der sukzessiven Adoption für grundgesetzwidrig halten. Familienrechtsexperten argumentierten einhellig, das Verbot schade dem Kindeswohl. So erklärte Nina Dethloff von der wissenschaftlichen Vereinigung für Familienrecht: "Es dient dem Wohl des Kindes, wenn eine faktische Beziehung auch rechtlich abgesichert wird".
Lediglich ein Vertreter des Deutschen Familienverbandes (DFV) erklärte, dass Kinder in Regenbogenfamilien gefährdet seien, "Opfer von Stigmatisierung zu werden". Nach dpa-Angaben beindruckte diese Argumentation die Verfassungsrichter jedoch nicht.
Kein Auskunftsrecht beim Arzt
Verhandelt werden die Fälle eines lesbischen sowie eines schwulen Paares. Die lesbische Beschwerdeführerin aus dem Münsterland verpartnerte sich 2005 und stellte daraufhin den Antrag, die heute 13-jährige Adoptivtochter ihrer Partnerin ebenfalls adoptieren zu dürfen. Das Kind war von seiner Mutter in Bulgarien zur Adoption freigegeben worden und wurde anschließend von den beiden Frauen in Deutschland großgezogen.
Das Paar argumentiert, das die augenblickliche Gesetzeslage erhebliche Nachteile für das Kind und die nicht anerkannte zweite Mutter mit sich bringe: So habe sie kein Auskunftsrecht beim Arzt, wenn das Kind krank ist und darf beispielsweise keine Elternabende besuchen. Sollte ihre Partnerin sterben, könnte das Kind ins Heim geschickt werden.
Das Oberlandesgericht Hamm lehnte ein gemeinsames Adoptionsrecht jedoch 2009 ab: Die Richter argumentierten, dass "die Kindererziehung zuvorderst als Aufgabe einer aus Vater, Mutter und Kind bestehenden Familie" angesehen werde und damit "ein gewichtiger Sachgrund für eine Ungleichbehandlung" gegeben sei.
Anders entschied das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg im Fall des zweiten Beschwerdeführers: Die Richter befanden 2011, dass das Verbot der Adoption gegen den Gleichheitsgrundsatz in der deutschen Verfassung verstößt. Sie beriefen sich dabei auf den nur aus sieben Worten bestehenden Artikel 3, Absatz 1, in dem es heißt: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich" (queer.de berichtete). Daher setzten sie das Verfahren aus und legten die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Geklagt hatte ein schwules verpartnertes Paar, das 2002 ein Kind aus Rumänien adoptiert hatte.
CDU/CSU verweigern Gleichbehandlung
Im Bundestag fordern vier der fünf Fraktionen eine Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Adoptionsrecht, nur die Union sperrt sich dagegen. Die Grünen kritisieren bereits seit Jahren die Haltung der Konservativen und fordern eine gesetzliche Angleichung: "Der CDU geht es nicht ums Kindeswohl, sondern um Diskriminierung aus populistischen Gründen. Das Verbot der sukzessiven Adoption für schwule und lesbische Paare ist widersinnig", erklärte der grüne Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck.
Derzeit ist in Deutschland nur die Stiefkindadoption legal. Das bedeutet, dass ein Schwuler oder eine Lesbe lediglich das leibliche Kind des eingetragenen Lebenspartners adoptieren kann.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird erst im Frühjahr 2013 erwartet. Das Bundesverfassungsgericht wird dabei nicht generell über das Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner entscheiden, sondern lediglich über die sukzessive Adoption. (dk)














