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LSVD-Wahlprüfsteine
Homo-Check vor der Niedersachsen-Wahl
- 19. Dezember 2012 4 Min.

Der LSVD legte den sechs wichtigsten Parteien Wahlprüfsteine vor
Die niedersächsischen Regierungsparteien CDU und FDP stehen Homo-Themen am kritischsten gegenüber. Das zeigen die Antworten auf die Wahlprüfsteine des Lesben- und Schwulenverbandes.
Von Dennis Klein
Der LSVD hat die Antworten der vier im niedersächsischen Landtag vertretenen Parteien sowie der Piraten auf seine Wahlprüfsteine veröffentlicht. Der Verband befragte die Parteien zu sechs Teilbereichen, wie dem Kampf gegen Homo- und Transphobie oder der Familienpolitik. Am meisten Zustimmung gab es dabei von Grünen und Linken, deutlich am wenigsten von CDU und FDP. Die Sozialdemokraten setzten sich zwar bei vielen Fragen, etwa bei der Aufnahme schwuler und lesbischer Flüchtlinge aus Verfolgerstaaten, für Homo-Rechte ein, blieben aber in einigen Bereichen wie der Gewaltprävention schwammig.
Am deutlichsten lehnte die CDU die Forderungen der Homo-Aktivisten ab. In den Antworten gibt es kaum konkrete Schritte, die die Christdemokraten angehen wollen. Man wolle zwar vieles "prüfen" oder gar "intensiv prüfen" und auch LSVD-Anregungen "in unsere Überlegungen einfließen lassen". In der Frage der Gleichbehandlung von eingetragenen Partnerschaften will die CDU erst abwarten, ob das Bundesverfassungsgericht Benachteiligungen wie beim Einkommensteuerrecht für verfassungswidrig erklärt. Man wolle der "entsprechenden juristischen Prüfung nicht vorgreifen", heißt es dort. Die Partei verschweigt dabei, dass das Bundesverfassungsgericht bereits 2002(!) festgestellt hat, dass eine völlige Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe nicht gegen die Verfassung verstößt (queer.de berichtete).
FDP: Kampf gegen Homophobie "kann nicht staatlich gesteuert werden"

David McAllister ist seit 2010 niedersächsischer Ministerpräsident. Er hat das Amt von Christian Wulff übernommen.
Der derzeitige Koalitionspartner FDP, der laut Umfragen ohne Leihstimmenkampagne an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde, zeigt sich ein wenig aufgeschlossener. Viele Forderungen der Homo-Aktivisten halten die Liberalen jedoch für unnötig. So sei man zwar gegen Homo- und Transphobie, "allerdings kann ein Umdenken nicht staatlich gesteuert werden", auch nicht in Schulbüchern, finden die Liberalen. Wichtig sei, dass sich "viele Vereine und Initiativen jedes Jahr an Gay-Pride-Paraden beteiligen" – und als FDP tue man das ja schon.
Die Liberalen wollen sexuelle Minderheiten nicht ausdrücklich in der Landesverfassung schützen – mit einer höchst eigenartigen Begründung: "Eine Aufzählung führt zwangsläufig dazu, dass Gruppen, die ähnlich benachteiligt sind, vergessen werden". Dabei werden in Artikel drei, Absatz drei bereits fast ein Dutzend Merkmale aufgezählt: "Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Damit sind dort praktisch alle Diskriminierungsmerkmale erwähnt, die im Gleichbehandlungsgesetz stehen – mit Ausnahme der sexuellen Orientierung.
SPD und Grüne: Schule soll Toleranz fördern
SPD und Grüne setzen sich in ihren Antworten dafür ein, eingetragene Lebenspartnerschaften vollständig mit der Ehe gleichzustellen. So könne laut den Sozialdemokraten "die Akzeptanz von Kindern aus diesen Familien in Kindertagesstätten und Schulen zur Normalität werden". Insbesondere der Schule komme eine besondere Rolle zu: "Nicht nur die sexuelle Aufklärung gehört zu ihrem Auftrag, sondern ebenso die gesellschaftliche Erziehung zu Respekt und Toleranz gegenüber unterschiedlichen sexuellen Identitäten".
Die Grünen setzen besonders auf den Aktionsplan gegen Homophobie, der bereits in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg angelaufen ist. Hier will die Ökopartei ministerienübergreifend gegen Homosexuellenfeindlichkeit und Transphobie vorgehen – schließlich stünden "viele Aufgabenbereiche in Landesverantwortung, wie z.B. Polizei, Bildung, Jugendhilfe, Sport, Kultur sowie Einrichtungen der Pflege und Betreuung".
Auch die beiden kleinen Parteien Linke und Piraten, die in Umfragen zwischen drei und vier Prozent herumkrebsen und damit den Einzug ins Parlament verpassen würden, zeigten sich homofreundlich: Während die Linkspartei wie die Grünen zu 100 Prozent die LSVD-Wahlprüfsteine unterstützt, haben die Piraten offenbar noch Probleme mit der Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern im Steuerrecht: Hier verweigerte die Partei die Antwort.
Die Niedersachsen müssen am 20. Januar ihr Kreuzchen machen und eröffnen damit ein Wahljahr, das im Herbst mit der Bundestagswahl seinen Höhepunkt erreicht. Umfragen zufolge liegt die CDU mit 39 bis 41 Prozent derzeit deutlich an der Spitze. Weil ihr Koalitionspartner FDP aber die Fünf-Prozent-Hürde reißt, hätte das sogenannte bürgerliche Lager keine Mehrheit, Rot-Grün dagegen schon: Die SPD kommt derzeit auf Werte zwischen 32 und 34 Prozent, die Grünen liegen zwischen 13 und 15 Prozent. Wenn sich die Umfragen bewahrheiten, gäbe es erstmals seit der Wahl 1998 wieder ein Drei-Parteien-Parlament in Hannover.
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